Er lockte mit dem Jenseits
sagt man so. Aber können Sie das glauben?«
Ich fragte zurück: »Sie denn?«
»Keine Ahnung«, flüsterte er. »Man kann mir ja viel erzählen. Ich bin immer Realist gewesen, habe solche Sachen für Quatsch gehalten, aber was ich da mit meinen eigenen Augen gesehen habe, das kann ich einfach nicht verkraften.«
»Sicher, das ist schwer.« Ich schaute Mike Dublin an, der sich wieder den Schweiß von der Stirn tupfte. Können Sie sich keinen Grund vorstellen, dass Ihre Freundin so reagiert hat? Meinen Sie nicht, dass es da ein Vorspiel gegeben hat?«
»Keine Ahnung, Mr. Sinclair, denn es kommt noch etwas hinzu. Ich hatte Barbara Evans zuvor nur einen Abend und eine Nacht gesehen, und die Nacht war... sehr wild gewesen. Als wir uns kennen lernten, da hat es zwischen uns sofort gezündet. Wir landeten im Bett und haben uns dann verabredet. Für mich war dieses Date schon fest, offenbar weniger für sie, denn Barbara schien es vergessen zu haben. Sonst hätte sie nicht so reagiert, als ich kam und sie zurückholen wollte.«
»Wo genau haben Sie Barbara Evans denn kennen gelernt?«
»Auf einem Boot.«
»Kreuzfahrt?«, fragte Suko.
»Nein.« Mike schaute den Inspektor an. »Das war... ich meine...«, er dachte einen Augenblick nach. »Es hört sich dumm an. Es war ein Single-Treff. Ein Schnelldurchgang zum Kennenlernen. Der Veranstalter lädt Männer und Frauen auf sein Boot ein, man bezahlt eine bestimmte Summe, das Boot legt ab, und eine Fahrt auf der Themse beginnt. Dann haben die Gäste Zeit, sich untereinander kennen zu lernen. Jeder spricht mit jedem zehn Minuten. Dann fliegen Funken über oder auch nicht. Bei Barbara und mir haben sie eben gezündet. So war das.«
»Wie nennt man so was denn? Mit was werden die Menschen denn gelockt?«
»Boat Party für Singles. Alles kann, nichts muss. Zwanglos, locker sein und Spaß haben.«
»Das hatten Sie?«
»Ja, Inspektor. Ich war zunächst sehr skeptisch, dann aber lernte ich Barbara kennen, und alles war anders. Da hatte ich keine Augen mehr für die anderen Frauen und sie auch nicht für andere Männer. Uns hat es beide erwischt.«
Suko lächelte. »So etwas gibt es.«
Ich stellte die nächste Frage. Dabei spielte ich mit einem Kugelschreiber, dessen Spitze wie zufällig auf unseren Besucher wies. »Wie heißt denn der Mann, der diese Parties organisiert?«
»Marty Modine.«
Ich runzelte die Stirn und dachte darüber nach, ob ich den Namen schon mal gehört hatte. Nein, das war nicht der Fall gewesen. Er war mir völlig neu. Außerdem hatte ich in meinem Leben noch keine Single Party besucht.
»Tut mir Leid, den kenne ich nicht.«
»Nun ja, er ist ein smarter Typ. Immer lächelnd, immer gut drauf, zudem ein echter Womanizer. Ich kann mir vorstellen, dass sich die weiblichen Gäste in ihn verknallen.«
»Und wann finden diese Parties statt?«
»Einmal in der Woche, Mr. Sinclair.
»An welchem Tag?«
»Freitags.«
Mein Herz schlug plötzlich schneller. Ich musste nicht erst nachdenken, um zu wissen, dass wir an einem Freitag im Büro hier im Yard Building saßen.
»Also heute?«
»Ja, auch. Bei diesem Wetter macht eine abendliche Bootsfahrt besonders viel Spaß.«
»Und die Anzahl der Teilnehmer ist begrenzt.«
»In der Regel schon.«
In meinem Kopf spann sich ein bestimmter Plan, den ich allerdings für mich behielt. Ich kam wieder auf das eigentliche Thema zu sprechen. »Sie haben die Gestalt gesehen, die Ihre Freundin ins Jenseits lockte und dann tatsächlich mit ihr verschwand?«
»Natürlich.«
»Haben Sie vielleicht das Gefühl gehabt, dass Sie diese Gestalt kennen? Sie schon mal gesehen haben?«
»Nein!«
»Das klingt sehr spontan.«
»Ich bin mir sicher.« Er räusperte sich und schüttelte den Kopf. »Außerdem besaß diese Gestalt kein richtiges Gesicht. Ich habe keine Augen gesehen, auch keine Nase oder einen Mund. Sie war für mich halb Mensch und halb Geist. Das mag komisch klingen, aber es trifft haargenau den Nagel auf den Kopf.«
»Hat das Wesen mit Ihnen gesprochen?«
»Nein.« Er verschränkte die Finger. »Es ist einfach schrecklich!«, flüsterte er. »Was ich gesehen habe, das darf nicht wahr sein, und trotzdem glaube ich fest daran.«
»Ja, das ist nun mal so, Mr. Dublin. Wir kennen uns aus. Es gibt auf dieser Welt immer wieder Dinge, die so unglaublich sind, dass man darüber lacht – aber manchmal vergeht einem das Lachen.«
»Sie haben Recht. Nur möchte ich wieder lachen können. Und das beinhaltet, dass ich
Weitere Kostenlose Bücher