Er sieht dich wenn du schläfst
Campbell
zur Vernunft kommt, müssen wir dieses Stipendienprogramm
ankurbeln. Jeder weiß, dass wir gerade ’nen Haufen Dollar für
die Alten gespendet haben. Jetzt müssen wir uns den Kleinen
widmen. Sie kümmern sich um die Einzelheiten. Suchen Sie
neun weitere Kinder mit herausragenden Leistungen aus der
Gegend, alle im Alter von Campbells Kind. Wir meinen, es wäre
doch sehr nett von uns, denen auch Stipendien zu geben.«
Das muss ein Witz sein, dachte Charlie. Zögernd schlug er
vor: »Ich glaube, es wäre klüger, wenn zumindest ein paar Kinder älter sind. Wie wollen sie den Medien erklären, dass Sie die
Absicht haben, zehn College-Stipendien an Erstklässler zu verteilen, wenn es Schüler und Schülerinnen auf der High School
gibt, die es jetzt brauchen?«
»Das wollen wir nicht«, knurrte Eddie. »Wir wollen in die
Zukunft investieren. Wenn Campbell schlau genug ist, zu tun,
was wir verlangen, mogeln wir den Namen seines Kindes unter
die anderen.«
»Marissa hat gute Noten, und sie ist eine geschickte kleine
Eiskunstläuferin«, bemerkte Junior lässig und biss das Ende
einer Zigarre ab. »Suchen Sie uns andere Kinder, die so begabt
sind wie sie.«
Charlie hatte das Gefühl, als drehten sich ihm die Eingeweide
um. Geschickte kleine Eiskunstläuferin. Woher weiß Junior so
viel über Marissa Campbell, fragte er sich.
»Wenn Sie natürlich Billy Campbell nicht überzeugen können, das, was er über unseren kleinen Scherz gesagt hat, zu widerrufen, brauchen wir überhaupt keinen Treuhandfonds«, sagte
Junior leise. »Lassen Sie sich von uns nicht weiter aufhalten,
Charlie. Wir wissen, wie viel Sie zu tun haben.«
Als er wieder in seinem Büro war, versuchte sich Charlie mit
dem Gedanken zu beruhigen, dass Menschen wie Junior und
Eddie, so schlecht sie auch waren, niemals auf die Kinder ihrer
Feinde losgingen.
Aber diese beiden… Er dachte den Gedanken nicht zu Ende.
Stattdessen betete er, Billy Campbell möge zur Vernunft kommen und das Stipendium annehmen.
Kopfschüttelnd langte er nach dem Ordner mit Informationen
über das Autohaus, das die Badgetts kaufen wollten. Er hatte
den ganzen Tag daran arbeiten wollen, sich aber nicht konzentrieren können.
Um halb sieben klappte er den Ordner zu und stand auf. Er
hatte den Mantel an und die Aktentasche in der Hand, als das
Telefon klingelte. Zögernd hob er ab.
Eine leise, heisere Stimme, die er nicht erkannte, flüsterte:
»Charlie, ich soll dir vom Boss ausrichten, dass Billy Campbell
beinahe vor eine U-Bahn gestürzt wäre, aber es ist mir gelungen,
ihn zu retten.«
Noch ehe Charlie antworten konnte, war die Verbindung unterbrochen.
Er legte den Hörer auf und blieb lange an seinem Schreibtisch
stehen. In all den Jahren, die er für die Badgetts arbeitete, hatte
er schlimmstenfalls potenziellen Zeugen Angst eingejagt, so wie
Billy Campbell, und sie später mit gewaschenem Geld bestochen. Mehr war nie passiert. Man konnte ihm den Kopf waschen, weil er Zeugen beeinflusst hatte, doch das hier war anders und viel ernster. Sie wollen mich mit in alles hineinziehen,
was Billy Campbell und Nor Kelly auch zustößt, wenn ich sie
nicht dazu überreden kann, den Mund zu halten, dachte er. Ich
habe Junior und Eddie noch nie so mies drauf gesehen wie heute, und ich weiß, das liegt nur daran, dass sie besorgt sind.
Er schloss seine Bürotür und ging zum Aufzug. Selbst wenn
Billy Campbell und Nor Kelly einverstanden wären, alles zu
vergessen, was sie mit angehört hatten, würde das ausreichen,
um ihre Sicherheit zu gewährleisten?
Charlie bezweifelte das.
A
ls Billy und Sterling um acht
Uhr abends zurückkehrten, war es bei Nor brechend voll. Das
Abendessen war in vollem Gange, und an der Bar war viel los.
Nor sprach mit Leuten an einem Tisch neben der Bar, doch als
hätte sie hinten im Kopf Augen, drehte sie sich in dem Augenblick um, als Billy das Restaurant betrat. Ihre Miene hellte sich
auf, und sie eilte auf ihn zu.
»Wie ist es gelaufen?«
Billy grinste. »Chip Holmes rühmt ›das Besondere meiner
Stimme‹ in den höchsten Tönen.«
Er kann Chip Holmes ganz gut nachahmen, dachte Sterling,
besonders den nasalen Tonfall.
Nor schlang die Arme um ihn. »Oh, Billy, das ist großartig.«
Sie gab einem Kellner ein Zeichen. »Nick, wir feiern. Hol uns
doch bitte eine Flasche Dom Perignon.«
Ich hätte auch nichts gegen ein Glas, dachte Sterling. Er setzte
sich wieder auf seinen Platz an Nors Tisch, und Erinnerungen
gingen ihm
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