Er trank das ewige Leben
Donaudelta. Er hatte ein neues Kapitel im Buch seines Untoten und mörderischen Daseins aufgeschlagen und war nun der absolute Herrscher. Lächerlich, wie dieser Mensch versucht hatte, ihn zu stoppen. Menschen. Wesen, die für ihn geschaffen waren. Träger seines ewigen Lebens, und er fühlte sich nach dem Genuß des Blutes gut, sehr gut sogar.
Bis zur Burgruine war es nicht weit. Er wollte aber nicht auf dem direkten Weg hingehen, denn er mußte noch nach jemanden schauen, den er in sein Herz geschlossen hatte.
Es war ja nicht nur der Engländer gewesen, dessen Blut er getrunken hatte, nein, es war…
Abrupt blieb er stehen. Seine Gedanken waren wie weggeblockt. Er spürte einen Stich, eine Warnung, die wie eine dünne Flamme durch seinen Kopf schoß. Wer ihn beobachtet hätte, der hätte annehmen können, daß vor ihm ein Turner ohne Gerät stand, denn Mephisto schleuderte seine Arme gegen den Himmel, ohne allerdings einen Balken zu haben, an dem er sich festhalten konnte.
Deshalb sackten die Arme wieder nach unten. Zugleich erwischte ihn wieder ein Anfall von Schwäche, denn er taumelte zur Seite und kam sich vor, als hätte er sich nicht gestärkt.
Mephisto fing sich wieder. Dieser Anfall war auch schnell dahin, nur wußte er noch nicht, wie er ihn einstufen sollte.
Etwas war geschehen. Und zwar ein Vorgang, der nicht direkt mit ihm zusammenhing. Wenn er dabei etwas spürte, ohne selbst angegriffen worden zu sein, gab es für ihn nur eine Möglichkeit: Jemand war gekommen und hatte seinen Diener vernichtet, sein Opfer, den ehemaligen Menschen, mit dem er auf einer gewissen Ebene in Verbindung stand.
Ein Feind!
Nein, mehr!
Ein Todfeind!
Mephisto erinnerte sich. Er dachte zurück. Er sah sich wieder in der Nische stehen und auf die Menschen hinunterschauen. In Reih und Glied hatten sie dort gesessen und eigentlich nur Augen für die Bühne gehabt.
Bis auf einen.
Es war dieser Mann mit den blonden Haaren gewesen, der unentwegt in die Nische gestarrt hatte. War er sein Feind?
Ja, er mußte es sein. Kein anderer hätte es gewagt. Und ihm war klar, daß er einen bestimmten Menschen finden und vernichten mußte. Er hatte den rothaarigen Mann getötet. Er war also in den Wagen gegangen. Er würde auch zurückkehren, aber Mephisto wollte ihn nicht im freien Gelände erwarten. Da war die Ruine besser, in der er sich auskannte. Verstecke in Nischen und Verliesen, die gab es genug. Er würde in diese Welt eintauchen und von dort einen neuen blutigen Feldzug beginnen…
***
Die alte Burgruine war ein Labyrinth, das hatte Suko schon längst festgestellt, als er eine der breiten Treppen hinter sich gelassen hatte und sich nun auf halber Höhe befand. Die Zuschauer konnte er nicht mehr sehen, weil eine Mauer ihm die Sicht nahm. Aber er schaute direkt auf die Reste eines Wehrgangs, der begehbar war. Er endete in einem kleinen Zimmer oder Turmbau, durch dessen Lücken im Mauerwerk der Wind wehte und für Durchzug sorgte.
Suko wollte sich hier oben etwas aufhalten. Er ging nicht zurück in den Innenhof, ihn interessierte die Weite der Landschaft, die von der Dunkelheit begraben wurde.
Dennoch gab er die Hoffnung nicht auf, dort unten eine Bewegung zu sehen, aber es rührte sich nichts. Es brannte auch kein Licht. Nur in der Ferne, wo Straßen das Land durchschnitten, sah er die sich bewegenden Lichter der Autoscheinwerfer. In dieser Burgruine aber und vor allen Dingen hier oben kam sich ein Mensch vor wie auf einer Insel.
Währendessen lief das makabre Theater unten weiter. Suko sah es nicht, er hörte es nur, denn die Stimmen erreichten oft genug seine Ohren und waren auch manchmal mit Schreien vermischt, die sich allerdings etwas aufgesetzt und künstlich anhörten. In der Realität war dort nichts geschehen, was ihn hätte beunruhigen können.
Suko war nicht hergekommen, um die Aussicht zu genießen. Er suchte den Vampir und hatte sich darauf eingestellt, ihn hier oben nicht zu finden. Licht machte er nicht. Im Finstern tastete er sich durch. Auf dem Boden lag ein dicker Schmier, wahrscheinlich Vogeldreck, den die gefiederten Freunde hinterlassen hatten. Als er einen weiteren, ziemlich großen Schritt zur Seite ging, sah er eine Öffnung. Nicht hoch, er mußte schon kriechen, wenn er hindurch wollte.
Diesmal ging er auf Nummer Sicher und leuchtete in die Öffnung hinein.
Seine Augen weiteten sich, als er den Beginn der nach unten führenden, schmalen Steintreppe sah, die in der Dunkelheit verschwand. Wo
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