Er trank das ewige Leben
vernetzt oder verkabelt. Diese Gauklertruppe hatte die alte Tradition des italienischen Straßentheaters übernommen, mit all seinen kleinen Unzulänglichkeiten.
Das war es eben, was Spaß machte, wobei die Zuschauer spontan mitmachen konnten. Und sie waren mit Begeisterung bei der Sache. Der Zirkus hatte überlebt, die Zuschauer füllten die Ränge, auch wenn sich sein eigentliches Gesicht verändert hatte und sich seine Attraktionen aus dem Kleinen hervor aufbauten. So war eine Mischung aus Musical und Traumtheater entstanden.
Selbst die Kasperle-Theater zogen die Kinder immer wieder an. Da ließen sie ihre Computer stehen, um den guten Kaspar im Kampf gegen die böse Hexe anfeuern zu können.
Es sah also nicht ganz so schlecht aus wie in unserer digitalisierten Welt.
Sie bewahrte sich ihre menschlichen Züge. Ein Robot-Vampir, wie wir ihn vor einigen Monaten erlebt hatten, würde wohl einmalig bleiben.
Ich löste mich von meinem gedanklichen Ausflug und kümmerte mich wieder um die Realität.
Da hatten Shao und Glenda die Bühne bereits erreicht, und sie waren zusammen mit dem Sprecher, der noch immer sein rotes Kostüm trug, hinein in den Kreis des Scheinwerfers getreten. Ein wenig scheu schauten sie sich um, was auch an der Blendung liegen konnte, denn das Zwinkern war nicht normal.
Sie wurden von den Skeletten begrüßt, die sich vor ihnen verbeugten.
Auch der Magier nickte ihnen würdevoll zu, bevor er zurücktrat. Es war sicherlich nicht viel passiert, aber die Zuschauer protestierten nicht.
Irgendwie schien es ihnen zu gefallen, selbst die Kinder blieben gespannt auf ihren Sitzen.
Nur ein Junge rief: »Wo ist denn der böse Mephisto?«
»Halt!« rief der Magier. »Er ist hier.« Jedes R rollte. »Ja, er ist hier, aber er ist gefährlich und raffiniert. Er hält sich versteckt. Wir müssen ihn suchen.«
»Kann ich mithelfen?«
»Wenn du willst…«
Ich war dagegen, aber das konnte ich nicht klarmachen. Keiner hätte mir geglaubt, und so mußte ich mit leichtem Magendrücken mit anschauen, wie sich der blonde Junge von seinem Platz löste und auf die Bühne zulief. Er trug helle Jeans und ein dunkles T-Shirt.
»Wie heißt du denn?« fragte der Magier.
»Ich bin Mick.«
»Gut, Mick, gut. Mich kennst du ja. Ich bin der Magier, der gegen den bösen Mephisto kämpft.«
»Ja, das habe ich gehört.« Mick nickte. »He, und wer seid ihr?« Damit waren Shao und Glenda gemeint, die lächelten und Mick ihre Namen nannten. Dabei gaben sie ihm die Hände.
Ich stand auch weiterhin im Hintergrund und schaute mir das Geschehen auf der Bühne an, das mir so gar nicht gefallen wollte. Es gab kein eigenes Regiekonzept, man improvisierte, was im Prinzip auch nicht schlecht war, aber man war auch nicht vor irgendwelchen Überraschungen gefeit, die nicht nur positiv aufzufallen brauchten, denn irgendwo lauerte Mephisto, und der war bestimmt nicht harmlos.
Ich konzentrierte mich auf die beiden Frauen. Da sie gut im Licht standen, waren ihre Gesichter gut zu erkennen. Glücklich sahen sie nicht aus. Sie schienen sich auf ihren ungewohnten Einsatz auch nicht besonders zu freuen, denn auf ihren Zügen entdeckte ich eher eine gewisse Skepsis. Beide bewegten ihre Augen, als wollten sie erkennen, was sich außerhalb des Lichtkreises tat.
Dort lauerte die Dunkelheit, dort gab sie jedem, der es wollte, ein gewisses Versteck.
Sie dachten sicherlich an Mephisto, ich ebenfalls.
Aber ich dachte auch an den jetzt toten Manager mit seiner schrecklichen Halswunde, und ich vermißte die junge, dunkelhaarige Frau, die ein weißes Kleid oder Gewand trug.
Sie gehörte zur Truppe. Weshalb kam sie nicht? Sie stand schließlich auf der positiven Seite. War es möglich, daß sie nicht konnte? Ein Gedanke, vor dessen Konsequenzen ich mich ein wenig fürchtete.
Der Chef trat wieder vor. »Wir alle hier wissen jetzt, daß sich etwas versteckt hält. Etwas Urböses, das jeder von uns gesehen hat. Erinnert euch an die Nische, in die ihr hineingeschaut habt. Dort hat er gestanden, gelauert und auf uns niedergeschaut. Er hat uns beobachtet, er wird es auch weiter tun, und wir werden schauen, ob er sich noch in seinem Versteck aufhält.«
Das war das Stichwort für den Mann am zweiten Scheinwerfer. Er schwenkte ihn, und der breite Strahl wanderte quer über unsere Köpfe hinweg, berührte das Mauerwerk, glitt daran in die Höhe und füllte schließlich die Nische mit seinem weißen Licht aus.
Schattenlos. Keine Dunkelheit mehr. Das
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