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Er war ein Mann Gottes

Er war ein Mann Gottes

Titel: Er war ein Mann Gottes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Jäckel
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unsicher mit den Schultern.
    »Wer bestellt, zahlt.« Franziska grinste. »Das ist doch wohl das Mindeste. Wer will die Pille denn? Er doch. Also?«
    Das schien einleuchtend, und tatsächlich gelang es mir mit diesem Argument, Frederic zur Kasse zu bitten. Er kaufte mir die Pille sogar in einem Nachbarort, weil ich mich weigerte, eine unserer Apotheken mit diesem Rezept zu betreten.
    »Warst du schon mal auf so einem Stuhl?«, fragte ich. Wenn ich meine Mutter hin und wieder zur Frauenärztin begleitete, hatte ich beim Warten meist einen Blick ins Behandlungszimmer geworfen, wo das Monstrum stand, das mir mit seinen Beinstützen und Schnallen wie aus dem Folterkeller vorkam.
    Franziska schüttelte den Kopf. »Meine Mutter findet’s eklig.«
    »Meine auch.«
    »Machst du es trotzdem?«
    Ich nickte. Wenn Frederic es richtig und wichtig fand, würde ich alles machen. Das wusste auch Franziska.
    »Ich nehm sie nicht.« Sie grinste. »Jedenfalls noch nicht.«
    Damit war klar, dass ich allein zur Frauenärztin gehen müsste.

    Ich glaube nicht, dass Frederic jemals erfasste, was es für mich bedeutete, kurz nach meinem dreizehnten Geburtstag erstmals eine Untersuchung auf dem gynäkologischen Stuhl über mich ergehen zu lassen.
    Es begann mit Lügen und Heucheln, weil ich der Frauenärztin weismachen musste, meine Mutter sei mit der Verschreibung der Antibaby-Pille einverstanden. Da sie eine Freundin meiner Eltern war, schöpfte sie nicht den geringsten Verdacht.
    Es ging weiter mit der medizinischen Untersuchung, die ich peinlich fand und von nun an alle paar Monate erneut aus-halten musste.
    Und es endete damit, dass ich meine Mutter hintergehen musste. Als der Schwindel aufflog, weil sie einen eigenen Frauenarzttermin hatte und dabei erfuhr, was sie mir angeblich erlaubt hatte, war ich über den in unserem Haus einmaligen, heftigen Familienkrach fast froh.

    Der Schock meiner Mutter ließ sich nur begrenzen, weil ich ihr erfolgreich weismachte, ich bräuchte die Pille, weil ich stets so große Menstruationsschmerzen hätte. Zum Glück war das eine halbe Lüge, denn diese Schmerzen hatte ich tatsächlich. Oft so schlimm, dass ich mich am liebsten wie ein Igel im Bett eingerollt und im finstersten Loch verkrochen hätte und nie mehr aufgestanden wäre.
    Meine Mutter betrachtete dies ängstlich, weil sie befürchtete, das Leiden meiner Säuglingszeit sei jetzt neu ausgebrochen oder zeige nun erst seine wahre, schwerwiegende Ursache. Zum Kinderarzt, zum Internisten, sogar zum Urologen schleppte sie mich. Glücklicherweise fand man nichts. »Die Pubertät«, hieß es.
    Damit gab meine Mutter sich zufrieden. Schließlich hatte auch die Frauenärztin sie beruhigt: »Sie ist Jungfrau. Also keine Sorge, da ist nichts passiert.«
    Ich wusste nicht, ob ich lachen oder weinen sollte.

Einmal das Schweigen brechen

    Es war eine wildfremde Frau gewesen, die ich im Zug getroffen hatte. Sie hatte mir gegenübergesessen und mich gefragt, wieso ich denn schon so viel rauchen würde? Ich sei doch noch ein Kind. Ob denn meine Eltern nichts dagegen hätten?
    Dabei hatte sie mich so nett und freundlich, so wirklich interessiert angeschaut, dass ich auf einmal sagte: »Unser Herr Vikar findet’s halt saugeil, wenn ich rauche«, ich merkte erst, was ich da von mir gegeben hatte, als sie mich so komisch ansah und nur »Aha!« machte.
    Hätte sie vorwurfsvoll oder zweifelnd reagiert, hätte ich vermutlich geschwiegen. Aber so? Der Mund lief mir einfach über. Dass wir ein Paar wären, unser Vikar und ich, hatte ich ihr gesagt. Dass es verboten wäre. Dass es keiner wissen dürfe.
    Und dann hielt der Zug und ich sprang raus, obwohl ich e rst an der übernächsten hätte aussteigen müssen. Die Frau hatte so sonderbar geschaut, so auf meine Tasche geschielt. Für mich wirkte es, als hätte sie dort eine Adresse gesucht.

    Tagelang fuhr ich anschließend nicht mehr mit der Bahn, sondern reiste als Anhalterin durch die Gegend.
    Franziska warnte mich wieder, es sei gefährlich. Erst neulich habe in der Zeitung gestanden, dass ein junges Mädel beim Autostop vergewaltigt worden sei. »Lass es!«, meinte sie. »Wenn du die Frau nochmals triffst und sie fragt dich aus, dann redest du dich heraus, dass du alles bloß erfunden hast.«
    Aber meine Angst, diese Frau wiederzutreffen und von ihr zur Rede gestellt zu werden, war weit größer, als unterwegs einem Vergewaltiger zu begegnen.

    Als ich Frederic beichtete, dass ich über uns geredet hatte, hatte

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