Er
wie ein Inder und Muskeln für drei und einen Steifen für eine Fußballmannschaft, und all das war für die Katz, wenn man’s genau nahm.
Die Frau verschwand in einem Bus.
»Wie lange bis Hotel?«, fragte Angus. Der Fahrer wäre ja dumm gewesen, wenn er nicht versucht hätte, zwei Fremde zu bescheißen.
»Viel Verkehr«, sagte der Fahrer. »Viertelstunde.«
»Ich rufe mal Ross an«, sagte Sean. »Vielleicht bleibt uns ja alles erspart.«
»Was denn erspart?«
»Alles«, wiederholte Sean. Angus hörte ihn sagen: »Hallo, Ross, hier Sean. Nur ganz kurz, ist teuer, wir sind in Berlin. Wie geht’s Alasdair? … Verstehe. Ist teuer, muss Schluss machen.«
Sean drehte sich zu Angus um und sagte: »Er lebt noch.«
»Was denn sonst? Vor einer Woche sagte er, dass er in drei Wochen tot ist. Jetzt rechne mal. Wir haben zwei Wochen Zeit, so sieht’s aus.«
»Nein. Das heißt, dass wir zwei Wochen warten müssen.« Sean nickte. »Zwei ganze Wochen.«
»Wieso warten? Worauf?«
»Ich erklär’s dir im Hotel.«
»Dort werde ich nicht klüger sein als hier. Also erklär’s mir jetzt.« Angus glaubte nicht wirklich, dass er weniger klug war als Sean. Sean war natürlich gebildeter, er arbeitete ja in der Leihbibliothek. Aber wenn der Vergaser verstopft war oder ein Schaf Maedi Vesna kriegte oder man morgens den Stuhlgang nicht mehr runtergespült bekam, nützte einem der gebildete Sean so viel wie eine Fliege über dem Kuchen. Ein kluger Sanitärinstallateur, ein kluger Automechaniker, das war schon eher das, was man auf Lewis unter Genie verstand. »Na los«, sagte Angus.
»Wir tun das nicht wegen des Fotos, Angus.« Sean bekam zwischen den Augen zwei Falten. »Das können wir sowieso nicht verhindern. Wir tun das wegen Alasdair, verstehst du? Es ist sein letzter Wille, und wir erfüllen ihn.«
»Moment mal!« Angus spürte seit Langem wieder etwas in der Brust, etwas wie Wärme, er spürte seinen Hintern auf dem Sitz. »Wie meinst du das, wir können’s nicht verhindern? Wir müssen es aber verhindern! Deshalb sind wir doch hier!« Es gab doch auf der Welt nur zwei Dinge, die er verhindern musste: das Foto und dass er sich etwas antat. »Sie will das Foto diesen Arschgeigen geben, diesen impotenten Spinnern.« Er konnte sich einfach nicht vorstellen, dass jemand, dem Vögel wichtiger waren als Menschen, noch einen hochkriegte. »Und da bin ich drauf!« Ich, rief er nochmals, ich, es war ein merkwürdiges Wort, wie ein Fisch, der sich am Haken wehrt. »Ich will nicht …« Er musste seine Zunge hüten, beinahe wär es ihm rausgerutscht. Er wollte nicht mit beschmutztem Namen sterben. »Da geht’s ums Prinzip«, sagte er.
»Ist ja gut«, sagte Sean. »Reg dich nicht auf. Natürlich werden wir versuchen, es ihr auszureden.« Sean sagte es im Tonfall, in dem man mit einem nervösen Schaf sprach.
»Darauf falle ich nicht rein«, sagte Angus. »Wenn du warten willst, gut, dann warte. Aber ich werde nicht warten. Ich werde was tun. Und das ist es, was Alasdair will. Er will, dass wir was tun.«
»Du hast ganz recht«, sagte Sean, und dann fragte er den Fahrer: »Wie viele Einwohner hier?« Der Fahrer antwortete, Sean sagte: »Etwa so viele wie Boston.« Und danach holte Sean ein Buch aus seiner Umhängetasche und las seelenruhig.
Angus dachte, dass Sean wahrscheinlich noch nie etwas in seinem Leben wirklich an die Nieren gegangen war. Wahrscheinlich hatte er gar keine, sondern hinten über dem Arsch zwei Bücher über Nieren und im Kopf eins darüber, wie man Freunde im Stich lässt. Der ganze Kerl bestand innen nur aus Buchseiten, der raschelte beim Furzen. Ja, das war der Unterschied: Sean war leicht. Aber er, Angus, war schwer. Denn er hatte Schuld auf sich geladen. Er hatte das Gewicht eines lebendigen Körpers in seinen Händen gespürt und wusste, was es bedeutete, etwas zu tun, das nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.
Er schaute aus dem Fenster, sah einen schmalen Turm, auf dem eine Christbaumkugel aufgespießt war, und nichts hatte eine Bedeutung, außer der Schuld und dem Wissen, dass die Strafe in irgendeiner Form erfolgen würde. Und nur eine einzige Sache war noch zu erledigen. Diese Klarheit gefiel Angus, es war, wie wenn man an einem Frühlingstag über das blühende Heidekraut ging, und etwas anderes als das Heidekraut gab es nicht, und nichts anderes als den Wind und das Rauschen der Brandung fern bei den Klippen.
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E R STELLTE SICH SEIN HERZ als geschwollen und gerötet vor,
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