Er
Wolfsgedanken. Sie dachten, tut er es wieder mit ihr, knusprig genug sieht sie ja aus, immer noch, heiliges Gretchen, man möchte ihr die Hand in die Bluse stecken, und Angus kriegt einen roten Kopf, schau ihn dir an! Sie hat sein Kind wegmachen lassen und taucht jetzt wieder auf, nach zweiundzwanzig Jahren und ist immer noch so schön, dass man ihr die Hand in die Bluse stecken möchte, und bestimmt würde einem auch noch mehr einfallen, aber du kannst ja keinen klaren Gedanken mehr fassen, wenn sie ihren Hintern an dir vorbeischiebt. Und schau dir das an, sie reden kein Wort miteinander, passen immer gut auf, dass ein paar Leute zwischen ihnen stehen, und wenn sie den Mund aufmacht, kriegt er diese rote Birne. Und jetzt hält er’s nicht mehr aus, er braucht frische Luft, davon gibt’s draußen eine ganze Menge, wahrscheinlich steckt er sich, wenn’s niemand sieht, gleich die Hand vorn in die Hose.
Angus zog an den Seilen, der Sturm schüttete tausend Eimer Wasser aufs Deck, der Schaum knisterte zwischen Angus’ Gummistiefeln. Im Steuerhaus schwankte das Licht, hinter den beschlagenen Scheiben wurden die vertrauten Gesichter fremd und gefährlich. Zwischen vertraut und gefährlich gab’s sowieso keinen Unterschied. Alison war Angus vertraut, aber wenn man für Mord mit einer Flasche Gin belohnt worden wäre, hätte sie ihm Abflussreiniger in die Kartoffelsuppe gerührt.
»Hab gehört, Lea Murray kommt dieses Jahr mit nach Sula Sgeir«, sagte Alison beim Frühstück. Ihre Gabel schepperte auf dem Teller, draußen verblasste der Morgenstern. »Wird schwierig sein, es da mit ihr zu treiben, ohne dass die anderen es mitkriegen. Ist ja ’ne kleine Insel.«
Angus zerteilte ein Würstchen. Er betrachtete die beiden Hälften, drehte den Teller, konnte sich nicht entscheiden, welche Hälfte er zuerst essen sollte. Sie schmeckten beide nach nichts, und doch schien es da einen Unterschied zu geben.
»Wie alt ist sie jetzt?«, sagte Alison. »Vierzig? Einundvierzig? Dann kann sie ja noch ein Kind kriegen. Falls du nicht zu müde bist.« Ihr Schlürfen, wenn sie Tee trank, ging Angus durch Mark und Bein. Ihr Schmatzen konnte er noch weniger ertragen, es vertrieb ihn manchmal vom Tisch, er verkroch sich dann im Gästezimmer und ballte die Fäuste. »Du möchtest doch bestimmt noch mal allen zeigen«, sagte sie, »dass es nicht an dir liegt. Dass du ein toller Hirsch bist, der einen ganzen Affenkäfig voller Kinder zeugen könnte. Wenn du nur die richtige Frau hättest!« Sie warf die Gabel auf den Teller.
»Der Arzt sagt, es liegt nicht an mir!«, schrie sie.
Dann aß sie weiter, sie zerdrückte das Eigelb, es rann über das Weiße. Sie schabte das Eigelb mit der Gabel vom Weißen, das Geräusch, wenn sie das Gelbe von den Zinken leckte, machte Angus wahnsinnig.
»Schon mal davon gehört, dass der alte Alasdair bald abkratzt?«, sagte er und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Ist ja wohl klar, dass er seine Tochter noch mal sehen will. Einem Todkranken kann man ja wohl keinen Wunsch abschlagen. Aber ich bin dagegen.« Angus war dagegen. »Der Guga Cull ist Männersache.« Das klang gut. »Eine Frau hat da nichts zu suchen.« Angus brach einen Toast entzwei, darüber hatte er noch Macht. Alles andere geschah über seinen Kopf hinweg, nach ihm drehte sich das Leben nicht um.
Alasdair holte Lea auf die Insel, nach zweiundzwanzig Jahren, man konnte es ihm nicht verübeln. Einmal ist auch mit der Hölle Schluss. In die hatte Alasdair seine Tochter verstoßen, nachdem sie sich das Kind absaugen ließ, in Deutschland. Und sie kam nicht zurück, er hätte sie totgeschlagen. »Bei Gott, ich schlag sie tot!« Das hörten im Pub viele, und manchmal sagte er’s auch auf der Straße, bei gutem wie schlechtem Wetter. Wenn Lea zurückgekommen wäre, hätte man im Gericht die Zeugenbank verlängern müssen. In den ersten Jahren nannte Alasdair es absaugen, später ausschaben, und wenn ihn jemand fragte, ob er was von Lea gehört habe, sagte er: »In der Hölle gibt’s kein Telefon. Die haben da unten nicht mal Briefmarken.« Einige sahen ihn weinen, unten am Hafen, manchmal trat er nach einem Hund, einmal schoss er aus dem Fenster in die Luft. Aber vor einem Jahr sah er immer öfter Blut in der Kloschüssel, und MacLeod, der Arzt, hängte mit einem Klämmerchen ein Röntgenbild an einen Draht und zeigte Alasdair den Krebs. Alasdair rief die Männer im Pub zusammen und verteilte Fotokopien des Röntgenbildes. Die meisten der
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