Er
hätte, dachte Angus.
In der Schlinge baumelte der Guga, Craig reichte ihn Kevin hoch.
»Nimm ihn raus«, sagte Craig. »Und dann machst du’s, wie ich’s dir gesagt habe.«
»Wirst gleich merken, dass die ein Herz haben«, sagte Angus. Wenn man einen Guga in Todesangst in den Händen hielt, übertrug sich das rasende Pochen des kleinen Herzens auf das eigene Herz. Es klopfte mit dem des Gugas um die Wette, und man schwitzte vor Scham und Mitleid.
»Hab ihn!«, rief Kevin. Seine Stimme überschlug sich, denn das lebendige Wesen zwischen seinen Fingern war ihm auf ekelerregende Weise ausgeliefert. Der Guga stieß Laute aus, die aus dem Innern der Welt stammten, aus der Tiefe des Lebens.
»Mach endlich!«, sagte Angus. »Du erwürgst ihn! Dreh ihm endlich den Hals um!«
»Mach ich ja!«, rief Kevin. Aber er bekam den Guga nicht in den Griff, er renkte ihm einen Flügel aus, er zerrte am Kopf rum, er zerdrückte ihm die Rippen.
»Bockmist!«, sagte Angus. »Gib her!«
»Das ist meiner!«, rief Kevin. »Ich bin der Killer!«
»Gib ihn Angus!«, sagte Craig und kletterte zu ihnen hoch. »Los! Gib ihm den Vogel.«
»Du Stümper!«, sagte Angus. Er riss Kevin den Guga aus der Hand, spürte, dass kaum noch Leben drin war, und mit einem sauberen Schnitt trennte er den Hals zweifingerbreit über dem Brustkorb durch. Mit einem Seufzer stieg das Seelchen des Gugas in den Wind. Ein Tier zu erlösen war etwas Schönes, Angus genoss es jedes Mal.
»Das war mein Guga!«, sagte Kevin. »Ich hätte das schon geschafft. Ich muss das doch erst mal üben! Aber ihr gebt mir ja keine Chance.«
»Das ist nicht euer Ernst!«, sagte Lea. Sie schwankte in einem Windstoß, ihr Gesicht war in der Mitte durchgestrichen vor Ärger. »Ihr könnt den Jungen doch nicht Vögel töten lassen, wenn er keine Ahnung davon hat. Zeigt ihm doch erst mal, wie das geht! Der muss das doch üben. Aber nicht an lebenden Tieren!«
»Schon gut«, sagte Craig. »Ich werd’s ihm noch mal zeigen. Alles in Ordnung.«
»Nichts ist in Ordnung«, sagte Lea. »Ihr geht mit den Gugas nicht respektvoll um.«
»Das kenn ich doch!«, sagte Angus. Er stand zwischen Lea und Craig, und er spürte die Verbindung zwischen ihnen. Er kam sich vor wie einer, der im Gebüsch ein Liebespaar beobachtet. »Das hab ich doch schon mal im Fernsehen gehört. Redest du jetzt Kate Branson das Wort? Gehörst du zu denen? Da, guck dir das an.« Er hob den geköpften Guga hoch. »Ein sauberer Schnitt. Der war sofort tot. Ich hab ihn erlöst. Und jetzt sagst du mir, dass ich nicht respektvoll mit ihm umgegangen bin? Das geht bei mir zum einen Ohr rein und zum andern wieder raus.«
Wenn man ein Liebespaar beobachtete, und er hatte es schon einmal getan, war das Schlimmste der Schmerz darüber, dass kein Hahn danach gekräht hätte, wenn man im Gebüsch gestorben wäre. Aber die, die sich da drüben die Zunge in den Mund steckten, kümmerten sich umeinander. Wenn einer krank war, besuchte der andere ihn und setzte Tee auf. Oder er brachte ihm frisches Brot und Hustensirup. Sie liebten sich. Und das bedeutete, dass der eine nicht wollte, dass der andere starb. Und wenn der eine auf der Straße ein totes Schaf sah, erzählte er das zuallererst dem anderen. Sie waren sich nicht egal. Aber der, der sie im Gebüsch beobachtete, war ihnen egal, und er war auch allen anderen egal, sonst hätte er sich samstags nicht in Gebüschen rumgetrieben. Beim Guga Cull vor acht Jahren hatte Alasdair in der Steinhütte eine Bibelstelle vorgelesen, die einzige, an die Angus sich Wort für Wort erinnern konnte.
Und wenn ich mit Menschen- und mit Engelszungen redete
und hätte die Liebe nicht
so wäre ich ein tönendes Erz
oder eine klingende Schelle
»Was?«, fragte Angus.
»Ich sagte, dass ihr euch nicht wundern müsst«, sagte Lea, »wenn sie euch vorwerfen, dass das hier Tierquälerei ist. Ich hab ja gerade gesehen, wie ihr mit den Tieren umgeht!«
»Ach ja? Das hast du gesehen?«, sagte Angus. Aber sich vom Lehrer den Spargel in die Dose stecken lassen. Und das Kind wird abgesaugt. Ausgeschabt. Und die Liebe wird ins Craigkörbchen gelegt, einem Angus zeigt man den Hut. »Du hast gar nichts gesehen«, sagte Angus. »Ich zeig dir jetzt mal, wie wir mit den Gugas umgehen!« Er bückte sich und hob den Gugakopf auf, den er vorhin abgeschnitten hatte. »So gehen wir mit ihnen um!« Er steckte sich den nassen, blutenden Kopf zwischen die Zähne und machte zwei Tanzschritte. Wackelte mit dem Kopf,
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