Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
und war sichtlich erleichtert, ihn wieder bei Bewusstsein zu sehen.
Warum ist sie nicht bereits entkommen?, fragte er sich. Dann: Was ist passiert? Seine Gedanken fühlten sich zäh und träge an, wie trunken vor Erschöpfung.
Er senkte den Blick und sah, dass man ihm seine Waffen und seine Rüstung weggenommen hatte; er trug nur noch seine Beinkleider. Der Gürtel von Beloth dem Weisen war verschwunden, ebenso wie die Kette, die die Zwerge ihm gegeben hatten und die jeden daran hinderte, ihn mit der Traumsicht zu suchen.
Als er nach oben schaute, sah er, dass der Elfenring Aren von seiner Hand verschwunden war.
Ein Anflug von Panik überfiel ihn. Dann beruhigte er sich mit dem Gedanken, dass er nicht hilflos war, nicht solange er Magie wirken konnte. Wegen des Knebels im Mund würde er einen Zauber wirken müssen, ohne ihn laut auszusprechen, was ein wenig gefährlicher war als die normale Methode – wenn seine Gedanken während des Vorgangs abschweiften, konnte er versehentlich die falschen Worte wählen –, aber längst nicht so gefährlich wie der tatsächlich ungemein riskante Versuch, einen Zauber ganz und gar ohne Verwendung der alten Sprache zu wirken. In jedem Falle würde es ihn nur eine kleine Menge an Energie kosten, sich zu befreien, und er war zuversichtlich, dass er es ohne große Mühe schaffen konnte.
Er schloss die Augen und sammelte seine Kräfte. Während er das tat, hörte er, dass Arya mit ihrer Kette klapperte und gedämpfte Laute von sich gab.
Als er einen Blick hinüberwarf, bemerkte er, dass sie den Kopf schüttelte. Er zog eine Augenbraue zu einer wortlosen Frage hoch: Was ist denn? Aber sie konnte nicht mehr tun, als zu stöhnen und weiter den Kopf zu schütteln.
Frustriert sandte Eragon vorsichtig seinen Geist nach ihr aus – auf der Hut vor dem geringsten Anzeichen des Eindringens irgendeiner anderen Person –, aber zu seiner Bestürzung spürte er nur einen sanften Druck um sich herum, als sei sein Bewusstsein dick in Watte gehüllt.
Wieder stieg Panik in ihm auf, trotz seiner Bemühungen, sich zu beherrschen.
Man hatte ihn nicht unter Drogen gesetzt. Dessen war er sich sicher. Aber er wusste nicht, was außer einer Droge ihn daran hindern konnte, Aryas Geist zu berühren. Wenn es Magie war, dann eine, die anders war als alles, was er kannte.
Er und Arya starrten sich einen Moment lang an. Dann lenkte eine winzige Bewegung Eragons Blick nach oben und er sah Blut in dünnen Rinnsalen über ihre Unterarme laufen, wo die Fesseln um ihre Handgelenke die Haut aufgerieben hatten.
Wilder Zorn überkam ihn. Er packte die Kette über sich und riss mit aller Kraft daran. Die Glieder hielten, aber er weigerte sich, aufzugeben. In blinder Wut zog er wieder und wieder daran, ohne auf die Verletzungen zu achten, die er sich damit zufügte.
Schließlich ließ er es sein und hing wie ein Sack in seinen Fesseln, während heißes Blut von seinen Handgelenken in seinen Nacken und auf seine Schultern tropfte.
Entschlossen, zu entkommen, tauchte er in den Energiestrom seines Körpers ein, schrie in Gedanken: Kverst malmr du Huildrs edtha, mar frëma né thön eka threyja!, und leitete den Zauber direkt zu seinen Fesseln.
Jeder Nerv seines Körpers begann vor Schmerz zu brennen und er brüllte in seinen Knebel hinein. Außerstande, seine Konzentration weiter aufrechtzuerhalten, entglitt ihm der Zauber und seine Magie brach ab.
Sofort verschwand der Schmerz, aber er ließ Eragon atemlos zurück und sein Herz raste, als sei er gerade von einer Klippe gesprungen. Die Erfahrung ähnelte den Krämpfen, unter denen er gelitten hatte, bevor die Drachen während des Agaetí Blödhren die Narbe an seinem Rücken geheilt hatten.
Während er sich langsam erholte, bemerkte er, dass Arya ihn mit besorgter Miene beobachtete. Sie muss selbst einen Zauber probiert haben. Dann: Wie konnte das geschehen? Sie beide gefesselt und hilflos, Wyrden tot, die Kräuterheilerin gefangen oder erschlagen und Solembum wahrscheinlich irgendwo verletzt in dem unterirdischen Labyrinth, falls die Schwarzgewandeten die Werkatze nicht bereits getötet hatten. Eragon konnte es nicht verstehen. Eine fähigere und gefährlichere Truppe als ihn, Arya, Wyrden und Angela konnte man wohl in ganz Alagaësia nicht finden. Und doch waren sie gescheitert, und er und Arya waren ihren Feinden auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Wenn es uns nicht gelingt, zu fliehen … Er wagte den Gedanken nicht zu Ende zu denken. Die Vorstellung
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