Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
einem leisen, trockenen Rascheln wie von Haut, die über Haut gleitet. Die Bewegung verursachte einen beinahe lautlosen Windstoß, der sich ausbreitete wie winzige Wellen in einem Teich. Überall im Burghof hielten Leute in der Arbeit inne, um zu ihr hinüberzusehen.
Als Saphira die Flügel über ihren Kopf hob, konnte Eragon das Netz purpurfarbener Adern sehen, das mit jedem mächtigen Schlag ihres Herzens in den Flügeln pulsierte. Dann kippte die Welt weg, als Saphira mit einem Ruck und einem Brausen vom Burghof auf die Außenmauer sprang, wo sie für einen Moment auf den Zinnen balancierte. Die Steine barsten unter den Spitzen ihrer Klauen.
Eragon packte die Halszacke vor sich, um sich festzuhalten.
Die Welt kippte abermals, als Saphira sich von der Mauer abstieß. Beißender Geschmack und Gestank stürmten auf Eragons Sinne ein und seine Augen brannten, während Saphira durch den dicken Rauch glitt, der wie eine Schicht aus Schmerz, Wut und Gram über Belatona hing.
Saphira schlug zweimal kräftig mit den Flügeln, dann tauchten sie aus dem Rauch auf in den Sonnenschein und schwebten über den Straßen der Stadt, in denen zahlreiche Feuer brannten. Saphira zog große Kreise, hielt die Flügel dabei still und erlaubte so der warmen Luft, sie immer höher hinaufzutragen.
So müde er war, genoss Eragon doch die großartige Aussicht: das grollende Unwetter, das im Begriff stand, ganz Belatona zu verschlingen, leuchtete an seiner vorderen Front weiß und strahlend, während sich dahinter die Gewitterwolken in tintenschwarzen Schatten bauschten, die nichts preisgaben, es sei denn, Blitze zuckten durch sie hindurch. Auch der glänzende See und die vielen Hundert über die Landschaft verteilten kleinen grünen Bauernhöfe nahmen seinen Blick gefangen, aber auf Dauer war nichts so beeindruckend wie das riesige Wolkengebirge.
Eragon war sich wieder einmal bewusst, welches Glück er hatte, die Welt von so hoch oben sehen zu dürfen. Nur wenige bekamen je die Chance, einen Drachen zu fliegen.
Mit einer leichten Bewegung ihrer Flügel begann Saphira abwärtszugleiten, auf die Reihen grauer Zelte zu, aus denen das Lager der Varden bestand.
Ein starker, böiger Westwind kam auf und kündigte die unmittelbar bevorstehende Ankunft des Gewitters an. Eragon lehnte sich vor und schlang die Hände fester um die Zacke an Saphiras Hals. Er sah glänzende Wellen über die Felder unter ihm rasen, als die Halme sich unter der Wucht des aufkommenden Sturms beugten. Das tanzende Gras erinnerte ihn an das Fell einer großen grünen Bestie.
Ein Pferd wieherte, als Saphira über die Reihen der Zelte zu der Lichtung schwebte, die für sie reserviert war. Eragon erhob sich halb im Sattel, während Saphira die Flügel ausbreitete und das Tempo verringerte, bis sie beinah über der aufgerissenen Erde stand. Der Aufprall ihrer Landung riss Eragon trotzdem nach vorn.
Tut mir leid, sagte sie. Ich habe versucht, so sanft zu landen, wie ich konnte.
Ich weiß.
Noch während er absaß, bemerkte Eragon, dass Katrina auf ihn zugeeilt kam. Das lange kastanienbraune Haar wirbelte um ihr Gesicht, während sie über die Lichtung lief, und der Sturm enthüllte die Wölbung ihres wachsenden Bauches trotz der Lagen ihres Kleides ganz deutlich.
»Was gibt es Neues?«, rief sie und Sorge stand ihr deutlich ins Gesicht geschrieben.
»Du hast von den Werkatzen gehört …?«
Sie nickte.
»Davon abgesehen gibt es im Grunde nichts Neues. Roran geht es gut. Er lässt dich lieb grüßen.«
Ihre Miene entspannte sich, aber ihre Sorge löste sich nicht zur Gänze auf. »Dann ist alles in Ordnung mit ihm?« Sie deutete auf den Ring, den sie am Mittelfinger ihrer linken Hand trug, einen der beiden Ringe, die Eragon für sie und Roran verzaubert hatte, damit sie immer wussten, wenn der andere in Gefahr war. »Ich dachte, ich hätte etwas gespürt, ungefähr vor einer Stunde. Und ich hatte Angst, dass …«
Eragon schüttelte den Kopf. »Roran wird es dir erzählen. Er hat ein paar Schrammen und blaue Flecke abbekommen, aber davon abgesehen geht es ihm gut. Allerdings hat er mich fast zu Tode erschreckt.«
Katrinas besorgter Ausdruck verstärkte sich. Dann lächelte sie, was sie sichtlich Mühe kostete. »Zumindest bist du in Sicherheit. Ihr beide.«
Sie trennten sich und Eragon und Saphira gingen zu einem der großen Zelte neben den Kochfeuern der Varden. Dort taten sie sich an Fleisch und Met gütlich, während der Wind heulte und Regenschauer auf die im
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