Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
ging, kann niemand mit Bestimmtheit sagen. Sie hieß bei allen nur die Wahrsagerin und gewisse Geschichten lassen mich glauben, dass sie weder Elfe war noch Zwerg, sondern etwas gänzlich anderes. Doch wie dem auch sei, während ihres Aufenthalts hier hat man diesen Raum die Halle der Wahrsagerin genannt und so heißt er auch heute noch – nur dass Ihr jetzt die Wahrsagerin seid, Nasuada, Tochter von Ajihad.«
Galbatorix breitete die Arme aus. »Das ist ein Ort, um Wahrheiten auszusprechen … und zu hören. Ich werde innerhalb dieser Mauern keine Lügen dulden, nicht einmal die kleinste Unwahrheit. Wer immer auf diesem harten Block aus Stein ruht, wird zum jüngsten Wahrsager, und obwohl viele Mühe hatten, diese Rolle zu akzeptieren, hat sich am Ende keiner geweigert. Bei Euch wird es nicht anders sein.«
Die Stuhlbeine kratzten über den Boden, dann spürte sie Galbatorix’ Atem warm an ihrem Ohr. »Ich weiß, dass es schmerzhaft für Euch werden wird, Nasuada, unvorstellbar schmerzhaft. Ihr werdet Euch selbst aufgeben müssen, bevor Euer Stolz Euch gestatten wird, Euch zu unterwerfen. Auf der ganzen Welt ist nichts schwerer, als sein eigenes Ich zu verändern. Ich verstehe das, denn ich habe mich bei so mancher Gelegenheit selbst neu erschaffen. Auf jeden Fall werde ich hier sein, um Eure Hand zu halten und Euch bei diesem Übergang zu helfen. Ihr braucht die Reise nicht allein anzutreten. Und Ihr mögt Euch mit dem Wissen trösten, dass ich Euch niemals belügen werde. Keiner von uns. Nicht in diesem Raum. Zweifelt an mir, wenn Ihr meint, aber mit der Zeit werdet Ihr mir glauben. Ich betrachte dies als einen heiligen Ort und ich würde mir eher die eigene Hand abhacken, als das zu schänden, wofür er steht. Fragt, was immer Ihr wollt, und ich verspreche Euch, Nasuada, Tochter von Ajihad, dass wir wahrheitsgemäß antworten werden. Als König dieser Länder gebe ich Euch mein Wort darauf.«
Sie mahlte mit den Kiefern, während sie zu entscheiden versuchte, wie sie darauf antworten sollte. Dann stieß sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor: »Ich werde Euch niemals erzählen, was Ihr wissen wollt!«
Ein leises, tiefes Lachen erfüllte den Raum. »Ihr versteht mich falsch. Ich habe Euch nicht hierherbringen lassen, weil ich irgendetwas wissen will. Es gibt nichts, was Ihr erzählen könnt, worüber ich nicht bereits Bescheid wüsste. Die Anzahl und Verteilung Eurer Truppen; Eure Versorgungslage; die Standorte Eurer Nachschubkolonnen; die Strategie, die ihr zu verfolgen beabsichtigt, um diese Zitadelle zu belagern; Eragons und Saphiras Pflichten, Gewohnheiten und Fähigkeiten; den Dauthdaert, der Euch in Belatona in die Hände gefallen ist; selbst die Kräfte des Hexenkindes Elva, das Ihr bis vor Kurzem an Eurer Seite hattet – über all das weiß ich Bescheid und noch über viel mehr. Soll ich Euch Zahlen nennen? … Nein? Auch gut. Meine Spione sind zahlreicher und bekleiden höhere Positionen, als Ihr Euch vorstellen könnt, und ich verfüge obendrein über andere Mittel, um an Informationen zu gelangen. Ihr habt keine Geheimnisse vor mir, Nasuada, nicht die geringsten. Daher ist es zwecklos, darauf zu beharren, nichts zu verraten.«
Seine Worte trafen sie wie Hammerschläge, aber sie versuchte, sich davon nicht entmutigen zu lassen. »Wozu dann das Ganze?«
»Wozu ich Euch hierherbringen ließ? Weil Ihr, meine Liebe, die Gabe des Befehlens besitzt und die ist weitaus tödlicher als jeder Zauber. Eragon stellt keine Bedrohung für mich dar, ebenso wenig die Elfen, aber Ihr … Ihr seid auf eine Weise gefährlich, wie sie es nicht sind. Ohne Euch sind die Varden wie ein blinder Bulle – sie werden schnauben und wüten und sie werden vorwärtsstürmen, egal was ihnen im Weg steht. So werde ich sie fangen und mithilfe ihrer eigenen Torheit vernichten.
Aber die Vernichtung der Varden ist nicht der Grund, weshalb ich Euch entführen ließ. Nein, Ihr seid hier, weil Ihr bewiesen habt, dass Ihr meiner Aufmerksamkeit würdig seid. Ihr seid unerschütterlich, zäh, ehrgeizig und intelligent – genau die Eigenschaften, die ich bei meinen Dienern schätze. Ich möchte Euch an meiner Seite wissen, Nasuada, als meine oberste Ratgeberin und als General meiner Armee, während ich die letzten Stufen des großen Plans umsetze, an dem ich nun seit fast einem Jahrhundert gearbeitet habe. Eine neue Ordnung wird in Alagaësia errichtet werden und ich will, dass Ihr ein Teil davon seid. Seit der letzte der
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