Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
gewissen zarten Eleganz. Sie unterteilten den Wald in Zellen verschiedener Größe, was es schwer machte, weiter als fünfzig Fuß in irgendeine Richtung zu blicken.
Eragon hielt sich an das Plätschern des Baches, um sich zu orientieren, während er tiefer in den Wald vordrang. Jetzt, aus der Nähe, sah er, dass die Nadelbäume hier anders waren als die im Buckel oder in Du Weldenvarden. Ihre Nadeln standen immer zu siebt gebündelt zusammen und nicht zu dritt, und obwohl es sich auch um eine Täuschung des verblassenden Lichts handeln konnte, schien es ihm, als klebe Dunkelheit an den Bäumen wie ein um ihre Stämme und Äste gehüllter Umhang. Außerdem hatte alles an den Bäumen, angefangen von den Rissen in der Borke über ihre aus dem Boden ragenden Wurzeln bis hin zu ihren geschuppten Zapfen etwas merkwürdig Kantiges und eine Wildheit, sodass man den Eindruck hatte, als wollten sie sich im nächsten Moment aus der Erde befreien und in die Stadt hinunterlaufen.
Eragon schauderte und lockerte Brisingr in seiner Scheide. Er war noch nie in einem Wald gewesen, der sich so bedrohlich angefühlt hatte. Es war, als seien die Bäume zornig, als wollten sie sich vorbeugen und ihm das Fleisch von den Knochen reißen – so ähnlich, wie er es schon in dem Apfelhain empfunden hatte.
Mit dem Handrücken wischte er eine gelbe Flechte beiseite, während er vorsichtig weiterging.
Bisher hatte er keine Spur von Wild gesehen oder irgendwelche Hinweise auf Wölfe oder Bären entdeckt, und das verwirrte ihn. So nah am Bach hätte es eigentlich Spuren geben müssen, die zum Wasser führten.
Vielleicht meiden die Tiere diesen Teil des Waldes, überlegte er. Aber warum?
Ein umgestürzter Baumstamm lag quer über seinem Weg. Er stieg darüber hinweg und sein Stiefel sank bis zum Knöchel in einen Teppich aus Moos. Gleich darauf begann die Gedwëy Ignasia auf seiner Handfläche zu jucken und er hörte einen winzigen Chor von » Skrie-skrie!« und » Skrie-skra!«, während ein halbes Dutzend madenähnlicher weißer Larven – jede so groß wie sein Daumen – aus dem Moor hervorbrachen und von ihm weghüpften.
Uralte Instinkte leiteten ihn und er blieb stehen, so wie er es getan hätte, wenn er auf eine Schlange gestoßen wäre. Er blinzelte nicht. Er atmete nicht einmal, während er beobachtete, wie die fetten, abstoßenden Raupen flohen. Gleichzeitig zermarterte er sich das Hirn, ob er während seiner Ausbildung in Ellesméra schon einmal von ihnen gehört hatte, aber er konnte sich an nichts Derartiges erinnern.
Glaedr! Was sind das für Kreaturen? Und er zeigte dem Drachen die Larven. Wie lautet ihr Name in der alten Sprache?
Zu Eragons Schrecken sagte Glaedr: Sie sind mir unbekannt. Ich habe dergleichen noch nie gesehen, noch habe ich je von ihnen gehört. Sie sind neu auf Vroengard und neu in Alagaësia. Lass nicht zu, dass sie dich berühren. Sie könnten gefährlicher sein, als es den Anschein hat.
Sobald sie mehrere Fuß zwischen sich und Eragon gebracht hatten, sprangen die namenlosen Larven noch höher als zuvor und tauchten mit einem » Skrie-skro!« wieder in das Moos. Als sie aufkamen, zerbarsten sie und teilten sich in einen Schwarm grüner Tausendfüßler, die schnell im Polster des Mooses verschwanden.
Erst da wagte Eragon, wieder zu atmen.
Es sollte sie nicht geben, bemerkte Glaedr. Er klang beunruhigt.
Eragon zog langsam seinen Stiefel aus dem Moos und wich hinter den Baumstamm zurück. Dann untersuchte er das Moos genauer und sah, dass das, was er ursprünglich für die Spitzen alter Zweige gehalten hatte, die aus der Pflanzendecke hervorragten, tatsächlich Teile von Rippen und Geweihen waren – vermutlich die Überreste von einem Hirsch oder von mehreren.
Nach kurzem Nachdenken drehte Eragon sich um und ging den Weg zurück, auf dem er gekommen war. Diesmal achtete er allerdings darauf, jeden Flecken Moos zu meiden, was gar nicht so einfach war.
Was immer im Wald die Eichhörnchenlaute von sich gegeben hatte, war es nicht wert, dass er sein Leben riskierte, um es zu finden – vor allem, seit er vermutete, dass zwischen den Bäumen noch Schlimmeres lauerte als die Larven. Seine Handfläche juckte immer noch und aus Erfahrung wusste er, was das bedeutete. Irgendetwas Gefährliches war in der Nähe.
Als er zwischen den Tannenstämmen bereits die Wiese und das Blau von Saphiras Schuppen sehen konnte, wandte er sich seitwärts zu dem Bach. Moos bedeckte das Ufer, daher trat er auf Baumstämme und
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