Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
Aber morgen früh werde ich jagen, egal wie gefährlich es ist. Mein Magen ist leer und ich muss fressen, bevor ich das Meer wieder überquere.
Saphira hielt Wort, schloss die Augen und schlief sofort wieder ein.
Eragon entfachte ein kleines Feuer, dann nahm er ein kärgliches Abendessen zu sich und beobachtete, wie es dunkel wurde im Tal. Er und Glaedr sprachen über ihre Pläne für den folgenden Tag und Glaedr erzählte ihm mehr von der Geschichte der Insel, aus der Zeit, bevor die Elfen nach Alagaësia gekommen waren und Vroengard allein den Drachen gehört hatte.
Bevor das letzte Licht am Himmel verblasst war, fragte ihn der alte Drache: Würdest du Vroengard gern so sehen, wie es im Zeitalter der Reiter war?
Ja, antwortete Eragon.
Dann sieh her, forderte Glaedr ihn auf und Eragon spürte, dass der Drache sich mit seinem Geist verband und einen Strom von Bildern und Gefühlen hineinfließen ließ. Eragons Sicht veränderte sich und über der Landschaft erblickte er einen geisterhaften Zwilling des Tals. Die Erinnerung zeigte das Tal im Zwielicht, genau wie jetzt, aber der Himmel war wolkenlos und unzählige Sterne funkelten und glänzten über dem großen Ring der Feuerberge, dem Aras Thelduin. Die Bäume längst vergangener Zeiten wirkten größer, aufrechter und weniger unheilvoll, und überall im Tal standen die Gebäude der Reiter unversehrt und glänzend wie bleiche Leuchtfeuer in der Abenddämmerung und im sanften Licht der flammenlosen Laternen der Elfen. Weniger Efeu und Moos bedeckte damals die ockerfarbenen Steine und die Hallen und Türme wirkten auf eine Weise erhaben, wie die Ruinen es nicht taten. Sowohl auf den gepflasterten Pfaden als auch hoch über ihm nahm Eragon die glitzernden Gestalten zahlreicher Drachen wahr: anmutige Riesen, die den Schatz von tausend Königen auf ihrer Haut trugen.
Die Erscheinung blieb noch kurz bestehen. Dann löste sich Glaedr von Eragons Geist und das Tal wirkte wieder so, wie es war.
Es war wunderschön, sagte Eragon.
Das war es, aber das ist es nicht mehr.
Eragon studierte weiter das Tal und verglich es mit dem, was Glaedr ihm gezeigt hatte. Auf einmal runzelte er die Stirn, als er eine Reihe schaukelnder Lichter – Laternen, dachte er – in der verlassenen Stadt entdeckte. Er wisperte einen Zauber, um seine Sicht zu schärfen, und erkannte eine Reihe in schwarze Kapuzenumhänge gewandeter Gestalten, die langsam durch die Ruinen schritten. Sie wirkten feierlich und unheimlich. Es hatte etwas von einem Ritual, wie sie gemessenen Schrittes und mit gleichmäßig schwankenden Laternen dahinzogen.
Wer ist das?, fragte er Glaedr. Er hatte das Gefühl, Zeuge von etwas zu werden, was nicht für fremde Augen bestimmt war.
Ich weiß es nicht. Vielleicht sind es die Nachfahren derer, die sich während der Schlacht versteckt hatten. Vielleicht sind es Männer aus deinem Volk, die auf die Idee gekommen sind, sich nach dem Sturz der Reiter hier niederzulassen. Oder vielleicht sind es diejenigen, die Drachen und Reiter als ihre Götter verehren.
Gibt es die denn?
Es gab sie. Wir haben uns bemüht, sie von der Ausübung dieser Religion abzuhalten, aber trotzdem war sie in vielen der abgelegeneren Teile Alagaësias weit verbreitet … Ich denke, es ist gut, dass du diese Schutzzauber gewirkt hast.
Eragon sah zu, wie die Gestalten durch die Stadt zogen, was fast eine Stunde dauerte. Nachdem sie auf der gegenüberliegenden Seite angelangt waren, erlosch eine Laterne nach der anderen. Wohin die Gestalten gingen, nachdem die Laternen erloschen waren, konnte Eragon nicht erkennen, nicht einmal mithilfe von Magie.
Dann verkleinerte Eragon das Feuer mit ein paar Handvoll Erde, kroch unter seine Decke und schlief ein.
Eragon! Saphira! Wacht auf!
Eragon riss die Augen auf. Er setzte sich auf und griff nach Brisingr.
Alles war dunkel bis auf den matten roten Schimmer der Glut zu seiner Rechten und einen kleinen, ausgefransten Fleck sternenübersäten Himmels zwischen den Wolken im Osten. Obwohl das Licht schwach war, konnte Eragon die groben Umrisse des Waldes und der Wiese erkennen … und die riesenhafte Schnecke, die durch das Gras auf ihn zuglitt.
Eragon stieß einen spitzen Schrei aus und schob sich rückwärts. Die Schnecke – deren Haus mehr als fünfeinhalb Fuß hoch war – zögerte, dann glitt sie auf ihrem Schleim so schnell auf ihn zu, wie ein Mann rennen konnte. Ein schlangenartiges Zischen kam aus dem schwarzen Schlitz ihres Mauls und ihre Augäpfel, die
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