Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
einen anderen Plan.«
»Gut. Und in der Zwischenzeit? Wie sollen wir mit den Gefangenen verfahren?«
»So wie bisher: Wachen, Zäune und Vorhängeschlösser. Vielleicht können wir die Gefangenen außerdem mit Zaubern belegen, um ihre Bewegungsfreiheit einzuschränken, damit wir sie nicht so streng bewachen müssen. Eine andere Lösung sehe ich nicht, es sei denn, sie alle niederzumetzeln, doch ich würde lieber …« Sie versuchte sich vorzustellen, wie weit sie gehen würde, um Galbatorix zu besiegen. »Ich würde lieber nicht zu solch … drastischen Mitteln greifen.«
»Gut.« Orrin beugte sich über die Karte. Mit vorgezogenen Schultern starrte er wie ein Geier auf die Schnörkel in verblasster Tinte, die das Dreieck von Belatona, Dras-Leona und Urû’baen markierten.
Und so verharrte er, bis Nasuada fragte: »Gibt es sonst noch etwas, um das wir uns kümmern müssen? Jörmundur wartet auf seine Befehle und der Ältestenrat hat um eine Audienz bei mir gebeten.«
»Ich mache mir Sorgen.«
»Worüber?«
Orrin strich mit einer Hand über die Karte. »Dass dieses Unternehmen von Anfang an schlecht durchdacht war … Dass unsere Streitkräfte und die unserer Verbündeten gefährlich zersplittert sind. Sollte Galbatorix es sich in den Kopf setzen, selbst in den Kampf einzugreifen, könnte er uns so mühelos vernichten, wie Saphira einer Herde Ziegen den Garaus macht. Unsere ganze Strategie hängt davon ab, eine Begegnung zwischen Galbatorix, Eragon, Saphira und so vielen Magiern wie möglich einzufädeln. Wir haben bisher nur einen kleinen Teil dieser Magier in unseren Reihen und werden erst dann alle vereinen können, wenn wir vor Urû’baen auf Königin Islanzadi und ihre Armee treffen. Bis dahin bleiben wir erbärmlich angreifbar. Wir riskieren viel – allein aufgrund der Vermutung, dass Galbatorix’ Arroganz ihn so lange davon abhalten wird, etwas zu unternehmen, bis die Falle um ihn herum zugeschnappt ist.«
Nasuada teilte seine Bedenken. Trotzdem war es jetzt wichtig, Orrins Zuversicht zu stärken, statt in sein Klagen einzustimmen. Denn wenn seine Entschlossenheit ins Wanken geriet, würde sich das störend auf die Erfüllung seiner Pflichten auswirken und die Moral seiner Männer untergraben.
»Wir sind nicht vollkommen wehrlos«, erklärte sie. »Nicht mehr. Wir haben jetzt den Dauthdaert und damit sind wir vielleicht tatsächlich in der Lage, Galbatorix und Shruikan zu töten, falls sie sich aus den Mauern von Urû’baen herauswagen sollten.«
»Vielleicht.«
»Außerdem bringt es nichts, sich den Kopf zu zerbrechen. Wir können weder den Marsch der Zwerge beschleunigen noch unser eigenes Vorankommen in Richtung Urû’baen – und schon gar nicht werden wir die Flucht ergreifen. Also würde ich mir keine übertriebenen Sorgen um unsere Lage machen. Wir können nur versuchen, unser Schicksal mit Würde anzunehmen, was immer es für uns bereithalten wird. Die Alternative besteht darin, uns von dem Gedanken an Galbatorix’ mögliche Schachzüge beunruhigen zu lassen, und das werde ich nicht tun. Ich weigere mich, ihm so viel Macht über mich zu geben.«
UNSANFT INS LICHT
DER WELT
E
in Schrei ertönte: schrill, gellend, markerschütternd und in nahezu unmenschlicher Tonhöhe und Lautstärke.
Eragon fuhr zusammen, als habe ihn jemand mit einer Nadel gestochen. Er hatte fast den ganzen Tag damit zugebracht, Männer kämpfen und sterben zu sehen – Dutzende hatte er selbst getötet –, doch jetzt wühlte es ihn auf, Elains gequälte Schreie zu hören. Sie waren so grauenhaft, dass er sich fragte, ob sie die Geburt überleben würde.
Bei ihm, neben dem Fass, das ihm als Sitzplatz diente, hockten Albriech und Baldor auf dem Boden und zupften an den matten Grashalmen zwischen ihren Schuhen. Ihre dicken Finger zerfetzten jedes Blatt und jeden Halm mit methodischer Gründlichkeit, bevor sie den nächsten ausrissen. Schweiß glänzte auf ihrer Stirn und in ihren Augen standen Angst und Verzweiflung. Gelegentlich tauschten sie einen Blick oder sahen über den Weg hinüber zu dem Zelt, in dem ihre Mutter lag. Ansonsten starrten sie zu Boden und achteten nicht auf ihre Umgebung.
Einige Schritte weiter saß Roran auf einem Fass, das auf der Seite lag und wackelte, sobald er sich bewegte. Entlang des schlammigen Wegs drängten sich mehrere Dutzend ehemalige Bewohner von Carvahall, größtenteils Männer, die mit Horst und seinen Söhnen befreundet waren, oder deren Frauen, die die Heilerin
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