Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
erledigt«, sagte Carn und stellte den Krug beiseite.
Roran starrte zu den Sternen hinauf – jeder Muskel in seinem Körper zitterte – und versuchte den Schmerz zu ignorieren, während Carn die Hände über die Wunde legte und begann, Sätze in der alten Sprache zu murmeln und den Schaden zu beheben, den das Messer des Meuchelmörders angerichtet hatte.
Nach einigen Sekunden, die Roran allerdings eher wie Minuten vorkamen, verspürte er einen beinahe unerträglichen Juckreiz tief in der Brust. Er kroch sehr langsam nach oben, auf die Oberfläche seiner Haut zu, und wo er gewesen war, verschwand der Schmerz. Trotzdem war das Gefühl so unangenehm, dass er sich am liebsten das Fleisch von den Knochen gekratzt hätte.
Als es vorüber war, seufzte Carn und sackte in sich zusammen, den Kopf in die Hände gestützt.
Roran zwang seine widerspenstigen Glieder, seinem Willen zu gehorchen, schwang die Beine über die Kante der Liege und setzte sich auf. Dann strich er sich mit einer Hand über die Brust. Abgesehen von seinen Brusthaaren war sie vollkommen glatt. Unversehrt. Ohne Makel. Genau so, wie sie gewesen war, bevor der einäugige Mann sich in sein Zelt geschlichen hatte.
Magie.
Ein wenig abseits standen Delwin und Hamund und starrten ihn an. Sie wirkten etwas erstaunt, doch er bezweifelte, dass irgendjemand sonst etwas bemerkt hatte.
»Geht in eure Betten«, sagte er und winkte sie fort. »Wir werden in wenigen Stunden aufbrechen und ich brauche euch hellwach.«
»Bist du dir sicher, dass es dir gut geht?«, fragte Delwin.
»Ja, ja«, log er. »Danke für eure Hilfe, aber geht jetzt. Wie soll ich mich ausruhen, wenn ihr wie zwei Glucken nicht von meiner Seite weicht?«
Nachdem sie gegangen waren, rieb Roran sich das Gesicht und betrachtete dann seine zitternden, blutbefleckten Hände. Er fühlte sich ausgelaugt. Leer. Als habe er das Werk einer ganzen Woche in nur wenigen Minuten verrichtet.
»Wirst du trotzdem in der Lage sein, zu kämpfen?«, fragte er Carn.
Der Magier zuckte die Achseln. »Nicht so gut wie zuvor … Doch das war der Preis, der bezahlt werden musste. Wir können nicht ohne dich als Anführer in die Schlacht ziehen.«
Roran sparte sich die Mühe, Einwände zu erheben. »Du solltest dich ein wenig ausruhen. Es wird bald Morgen.«
»Was ist mit dir?«
»Ich werde mich waschen, mir ein Wams suchen und dann Baldor fragen, ob er noch irgendwelche Meuchelmörder aufgespürt hat.«
»Willst du dich nicht etwas hinlegen?«
»Nein.« Ohne es zu wollen, kratzte er sich an der Brust. Er riss sich zusammen, als er bemerkte, was er da tat. »Ich konnte schon vorher nicht schlafen und jetzt …«
»Ich verstehe.« Carn erhob sich langsam von dem Hocker. »Ich bin in meinem Zelt, falls du mich brauchst.«
Roran verfolgte, wie der Magier müde einen Fuß vor den anderen setzte und schließlich in der Dunkelheit verschwand. Dann schloss Roran die Augen und dachte an Katrina, um sich etwas zu entspannen. Schließlich nahm er das bisschen Kraft zusammen, das ihm noch geblieben war, ging zu seinem eingestürzten Zelt und durchwühlte es, bis er seine Kleidung, seine Waffen, seine Rüstung und einen Wasserschlauch gefunden hatte. Die ganze Zeit über vermied er es bewusst, zu dem Leichnam des Meuchelmörders zu sehen, obwohl sein Blick manchmal zufällig auf ihn fiel, während er sich durch das Gewirr verhedderten Stoffs kämpfte.
Schließlich kniete Roran sich aber vor die Leiche und riss mit abgewandtem Blick seinen Dolch daraus hervor. Die Klinge löste sich mit einem leichten Kratzen von Metall an Knochen. Er schwenkte den Dolch einmal kräftig, um das noch flüssige Blut abzuschütteln, und hörte, wie mehrere Tropfen auf den Boden klatschten.
In der Stille der kalten Nacht bereitete Roran sich mit Bedacht auf die Schlacht vor. Dann suchte er Baldor auf, der ihm versicherte, dass niemand sonst an den Wachposten vorbeigekommen war, und schritt einmal um das Lager herum, wobei er im Geiste jeden einzelnen Punkt ihres bevorstehenden Angriffs auf Aroughs durchging. Anschließend fand er ein kaltes halbes Hühnchen, das vom Abendessen übrig geblieben war, setzte sich hin, nagte daran und betrachtete die Sterne.
Doch was er auch tat, seine Gedanken kehrten immer wieder zu dem Anblick des jungen Mannes zurück, der tot vor seinem Zelt gelegen hatte. Wer entscheidet, dass ein Mann lebt und ein anderer stirbt? Mein Leben war nicht mehr wert als seines, aber er wird jetzt begraben, während mir
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