Eragon 04 - Das Erbe Der Macht
bevorstehenden Kampf würde jedes Schwert zählen.
Roran fragte sich noch immer, ob er die richtige Entscheidung getroffen hatte. Er war sich ziemlich sicher, dass die Männer nun ihm treu ergeben waren und nicht mehr Brigman. Aber Brigman war viele Monate lang ihr Hauptmann gewesen und der gemeinsame Kampf hatte die Truppe zusammengeschweißt. Selbst wenn Brigman nicht versuchte, in ihren Reihen Ärger zu stiften, hatte er bewiesen, dass er bereit und fähig war, Befehle zu missachten, zumindest wenn sie von Roran kamen.
Wenn er mir irgendeinen Grund liefert, ihm zu misstrauen, werde ich ihn auf der Stelle niederstrecken, dachte Roran. Aber diese Überlegung war überflüssig. Wenn Brigman sich gegen ihn wendete, würde es wahrscheinlich inmitten eines solchen Getümmels geschehen, dass Roran es erst zu spät bemerken würde.
Als alle bis auf sechs Mann sich auf den Lastkähnen drängten, legte Roran die Hände trichterförmig vor den Mund und rief: »Hebelt sie auf!«
Zwei Männer standen auf dem obersten Wehr, das den aus den Sümpfen im Norden kommenden Kanal aufstaute. Zwanzig Fuß unterhalb lag das erste Mühlrad mit seinem Staubecken, abgeschlossen mit dem zweiten Wehr, auf dem zwei weitere Männer standen. Weitere zwanzig Fuß darunter lag das zweite Mühlrad und das zweite tiefe Staubecken. Auch dieses war mit einem Wehr verschlossen, auf dem die letzten beiden Männer standen. Unter dem letzten Wehr lag schließlich das dritte und letzte Mühlrad. Von dort aus führte der Kanal ungehindert durch das Land bis nach Aroughs.
Eingelassen in die drei Wehre waren die drei Stellschütze, die Roran mit Baldors Hilfe während der ersten Besichtigung der Mühlen geschlossen hatte. Im Laufe der vergangenen zwei Tage waren Rorans Männer fleißig gewesen und hatten mit Schaufeln und Hacken die Wehre zu beiden Seiten der Stellschütze geschwächt, bis die Erddämme kurz davor standen, den aufgestauten Wassermassen nachzugeben. Zum Schluss hatten sie lange, stabile Balken zu beiden Seiten der Stellschütze in die Erde getrieben.
Die Männer auf dem mittleren und obersten Wehr packten jetzt diese Balken – die mehrere Fuß über das jeweilige Wehr aufragten – und begannen sie in einem steten Rhythmus vor- und zurückzubewegen. Ihrem Plan entsprechend warteten die beiden Männer auf dem untersten Wehr kurz ab, bevor sie es ihren Kameraden gleichtaten.
Roran krallte die Hand in einen Mehlsack, während er zusah. Wenn sie auch nur wenige Sekunden von ihrem Plan abwichen, würde es eine Katastrophe geben.
Fast eine Minute lang geschah gar nichts.
Dann gab mit einem Unheil verkündenden Rumpeln das oberste Stellschütz nach. Das Wehr wölbte sich, die Erde geriet in Bewegung und eine riesige Zunge schlammigen Wassers ergoss sich über das Wasserrad darunter und drehte es schneller, als es sich jemals hätte drehen sollen.
Als das Wehr brach, schafften es die Männer, die daraufgestanden hatten, mit knapper Not, ans Ufer zu springen.
Gischt spritzte dreißig Fuß oder mehr in die Höhe, als die Wasserzunge sich in das glatte dunkle Becken unter dem Wasserrad ergoss. Kurz darauf raste eine schaumgekrönte, mannshohe Welle auf das nächste Wehr zu.
Die Männer am mittleren Wehr sahen sie kommen, gaben ihren Posten auf und brachten sich ebenfalls mit einem Sprung auf festen Grund in Sicherheit.
Und sie hatten gut daran getan. Als die Welle das Wehr traf, brachen erst nadeldünne Wasserstrahlen um den Rahmen des Schützes hervor, bevor es herausflog, als habe ein Drache ihm einen Tritt versetzt. Einen Augenblick später riss die Welle alles mit sich, was von dem Wehr noch übrig war.
Mit noch mehr Wucht als die vorangegangene ergoss sich diese Sturzflut auf das zweite Wasserrad. Das Holz ächzte und knarrte unter dem Ansturm der Wassermassen und zum ersten Mal kam es Roran in den Sinn, dass ein Mühlrad oder mehrere losbrechen könnten. Wenn das geschah, könnte das eine ernsthafte Gefahr für seine Männer wie für die Lastkähne darstellen und würde den geplanten Angriff auf Aroughs vielleicht beenden, bevor er überhaupt begonnen hatte.
»Schneidet uns los!«, rief er.
Einer der Männer kappte das Seil, mit dem sie am Ufer festgemacht waren, während ein paar andere zehn Fuß lange Stangen zur Hand nahmen, in den Grund des Kanals bohrten und sich mit aller Kraft abstießen.
Die schwer beladenen Lastkähne setzten sich träge in Bewegung und nahmen sehr gemächlich Fahrt auf – viel langsamer, als Roran es
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