Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erbarmen

Erbarmen

Titel: Erbarmen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jussi Adler-Olsen
Vom Netzwerk:
zweiten Stock Lis' Büro. Tatsächlich sah sie an diesem Tag irgendwie unzugänglich aus. Die sonst so kess zerzaust gestylten Haare hingen schlaff herunter. Frau Sørensen hinter ihr sah ihn mit blitzenden Augen an, und in den umliegenden Büros hatten die Leute angefangen, sich gegenseitig anzuschreien. Es war erbärmlich.
    »Was ist denn hier los?«, fragte er Lis, als sie ihn bemerkt hatte.
    »Ich weiß es nicht. Sobald wir uns in die staatlichen Archive einloggen wollen, heißt es: >Zugang verweigert<. Es ist, als seien überall sämtliche Zugangscodes geändert worden.«
    »Das Internet funktioniert einwandfrei.«
    »Dann versuch doch mal, dich beim Melderegister einzuloggen oder beim Finanzamt, dann wirst du es schon merken.«
    »Ja, Sie müssen warten wie alle anderen auch.« Frau Sørensen klang ein wenig schadenfroh.
    Er stand eine Weile da und versuchte einen Ausweg zu finden, gab es aber auf, als er auf Lis' Bildschirm eine Fehlermeldung nach der anderen auftauchen sah.
    Er zuckte die Achseln. Was soll's, dachte er, so sehr eilt es wohl auch nicht. Ein Mann wie er wusste, wie man höhere Gewalt zu seinem Vorteil ummünzt. Wenn die Elektronik beschlossen hatte, auszusetzen, bedeutete das ja nicht, dass er unten im Keller für eine oder zwei Stunden mit einem Becher Kaffee und den Beinen auf dem Schreibtisch einen tiefsinnigen Monolog führen musste.
    »Hallo Carl«, tönte plötzlich eine Stimme hinter ihm. Es war der Chef der Mordkommission, in blütenweißem Hemd und mit gestreifter Krawatte. »Gut, dass du hier oben bist. Magst du nicht für einen Moment mit in die Kantine kommen?« Das war keine wirkliche Frage. »Bak hat für uns ein Briefing, an dem du auch interessiert sein müsstest, glaube ich.«
    In  der Kantine standen circa fünfzehn Männer, Carl ganz hinten, der Chef an der Seite und zwei Polizisten aus dem Drogendezernat sowie der Stellvertreter Lars Bjørn und Børge Bak mit seinem engsten Mitarbeiter vorn in der Mitte.
    Lars Bjørn übergab Bak das Wort. Alle wussten genau, was er zu sagen hatte.
    »Wir hatten in dem Fall des Fahrradmordes heute Morgen eine Festnahme. Der Verdächtige sitzt im Moment mit seinem Anwalt zusammen, aber wir sind davon überzeugt, dass uns noch vor Ende dieses Tages ein schriftliches Geständnis vorliegen wird.«
    Er lächelte und strich sich die sorgfältig gestylten Haare glatt. Dies war sein Tag. »Die Hauptzeugin, Annelise Kvist, hat eine ausführliche Erklärung abgegeben, nachdem sie sich vergewissert hat, dass der Verdächtige festgenommen ist. Ihre Aussage stützt unsere Theorie des Tathergangs zu hundert Prozent. Es handelt sich um einen ziemlich angesehenen Facharzt, der in Valby praktizierte und zum einen den Dealer im Valbypark niedergestochen hat und zum anderen an Annelise Kvists vermeintlichem Selbstmordversuch beteiligt war. Nicht zuletzt hat er Drohungen das Leben ihrer Kinder betreffend ausgesprochen.« Bak deutete auf seinen Assistenten, welcher fortfuhr.
    »Bei der Durchsuchung der Wohnung des Hauptverdächtigen haben wir mehr als dreihundert Kilo Rauschmittel unterschiedlichster Art gefunden. Sie werden derzeit von unseren Technikern analysiert.« Er wartete einen Moment, bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Zweifelsohne hatte sich der Arzt ein großes und weit verzweigtes Netzwerk an Kollegen aufgebaut, die sich alle beträchtliche Einkünfte verschafften durch den illegalen Verkauf von allerhand rezeptpflichtigen Medikamenten, von Methadon bis Stesolid, Valium, Fenemal und Morphium, und durch den Sonderimport von Amphetamin, Zopiclon, THC oder Tindal. Darüber hinaus wurden große Mengen an Neuroleptika, Schlafmitteln und Halluzinogenen vertrieben. Für den Verdächtigen war nichts zu groß und nichts zu klein. Es gab offenbar für alles Kunden.
    Der Ermordete im Valbypark war für die Verteilung dieser Drogen, hauptsächlich an Diskothekenbesucher, zuständig. Wir schätzen, dass der Ermordete versuchte, den Arzt zu erpressen, und dass dieser kurzen Prozess gemacht hat, aber wir gehen davon aus, dass die Tat nicht geplant war. Annelise Kvist wurde Zeuge dieses Mordes, und Annelise Kvist kannte den Arzt. Aus diesem Grund konnte er sie leicht ausfindig machen. Er hat sie auf infame Weise gezwungen, ihn nicht zu verraten.« Der Assistent hielt inne, und Bak übernahm.
    »Wir wissen jetzt, dass der Arzt Annelise Kvist unmittelbar nach dem Mord in ihrer Wohnung aufgesucht hat. Er ist spezialisiert auf Erkrankungen der Atemorgane; Annelise

Weitere Kostenlose Bücher