Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Wind vom Festungshof hochtrug. Unzählige Stimmen und Geräusche waren zu vernehmen, die aufgrund der Kommandos lauter oder leiser wurden. Es klang, als ob eine Armee den Befehlen eines Hauptmanns folgten.
»Was ist hier los?«, fragte er Melanie, ohne sie anzublicken oder gar langsamer zu werden.
»Das sind die letzten Vorbereitungen für unseren Aufbruch in die Freiheit.« Nirvan zuckte zusammen. »Freiheit?«
»Ja, Nirvan. Was glaubst du, warum wir all das auf uns genommen haben? Die weiße Regentin ist nicht mehr, und diesen Vorteil müssen wir ausnutzen, jetzt!«
»Das reicht aber nicht«, stellte Nirvan fest. »Was nützt uns der Tod der Drachentochter, wenn doch nur Einzelne von uns aus der göttlichen Kuppel entfliehen können? Wie lange soll es denn dauern, bis wir eine ganze Armee ausgeschleust haben?«
Sie schmunzelte nachsichtig. »Kleiner Nirvan, er hat es dir tatsächlich nicht gesagt, oder?«
Ein rotes Glühen flammte in seinen Augen auf. »Was soll die Anspielung?«
»Na, ich meine Sennus Nachtschatten. Hat der alte Hofmagier dir nicht genügend vertraut, um dir sein Geheimnis mitzuteilen?«
Er merkte, wie er von Sekunde zu Sekunde gereizter wurde. Er schluckte seine Wut hinunter und fragte erneut, was sie damit meinte. Melanie wirkte tatsächlich überrascht, nickte dann aber. »Er hat schon vor langer Zeit einen Weg gefunden, die göttliche Magie der Kuppel umzuleiten. Er kann es, Nirvan, er kann den Götterschutzschild um den dunklen Kontinent herum verschwinden lassen und uns alle befreien. Und wenn das vollständige Verschwinden nicht möglich ist, kann er zumindest eine Öffnung erzwingen, die groß genug ist, um Hunderte, gar Tausende von Soldaten hinausmarschieren zu lassen. Allerdings brauchte er Zeit und Übung, um diesen Tag vorzubereiten. Was glaubst du, warum er seit Jahren hier nicht mehr gesehen wurde? Er ist nicht auf dem dunklen Kontinent, sondern draußen im Reich der Drachentochter und perfektioniert dort seinen Plan.«
»Ich ging davon aus, dass er nicht mehr hier auf Crudus Cor war. Niemals hatte er eine meiner schriftlichen Nachrichten beantwortet, und Fragen nach ihm bei anderen Kontaktpersonen wurden direkt abgeschmettert. Aus meiner Sicht gab es nur die Möglichkeit, dass er Crudus Cor mit einem Geheimauftrag verlassen hatte oder – das war meine zweite Variante – er als Nachtisch zwischen den Zähnen von Cor Keto gelandet sein musste«, sagte Nirvan.
Melanie brummte zustimmend. »Er ist schon lange fort. Du wurdest vor vier Jahren auf das Festland geschickt, Nirvan, und er ging kurz danach. Er lebt irgendwo unter den freien Völkern und experimentiert im Verborgenen mit den restlichen Götterkuppeln, die im Reich der Drachentochter zeitlos schlummern. Er bedient sich ihrer Energie und schaffte es, neue Kuppeln an anderen Orten zu kreieren.«
Etwas regte sich in Nirvan. Etwas flüsterte ihm den Wahrheitsgehalt ihrer Worte zu, dann riss er die Augen auf. »Oh, bei Gaia, er ist es! Er verursacht den lautlosen Tod!«
Melanie reagierte nicht auf das Entsetzen in seiner Stimme. Als hätte er nichts dazu gesagt, fuhr sie fort: »Außer ihm hat niemals ein lebendes Wesen gelernt, die göttlichen Kuppeln zu beeinflussen, aber er kann es, und inzwischen ist er so gut, dass er sich sicher ist, unsere Kuppel so weit verändern zu können, dass wir unsere Armee in Kriegsschiffen entsenden können. Wir können die freien Völker angreifen, und wir werden sie besiegen! Danach haben wir das Recht, das eroberte Land so zu benutzen, wie es uns beliebt.«
Er erbleichte. Der Gedanke, dass eine Armee von rachsüchtigen Kreaturen über die freien Völker herfiel, war nicht das gewesen, was er sich unter `Freiheit´ vorgestellt hatte. »Wie kann es sein, dass du von all dem weißt und ich es nicht einmal erahnt habe?«
Sie zuckte desinteressiert mit den Achseln. »Du hast es wohl niemals wirklich wissen wollen. Anzeichen gab es schon. Was glaubst du, welchen Sinn es hat, Spione nach Tempelburg zu schicken, wenn wir hier nicht in geballter Form herauskommen könnten? Klar, die Macht der Kuppeln schwindet, doch wenn wir wirklich frei sein wollen, müssen wir auf einen Schlag hinausziehen und jeden Feind, dem wir begegnen, vernichten, bevor er es mit uns tut. Medana hatte mir das erklärt, bevor sie mich fort schickte. Ich wusste, wie wichtig unsere Mission ist, und sie hat mich stets auf dem Laufenden gehalten. So weit zumindest, wie sie es selbst wusste.«
»Ich kann es nicht
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