Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Konflikte zwischen ihm und meinen Landsleuten, und so kam es, dass er hierher ging. Hilfe versprach er sich von Jesa, ja, das tat er! Und da ich ihn mochte, reisten wir gemeinsam, oh ja!«
»Was ist aus ihm geworden?«
Nexus schluckte. »Nun, das Orakel sagte ihm, dass er in Pagalaz nicht glücklich werden kann. Er solle zurück nach Orcus, dem Düsterland gehen und dort eine eigene Siedlung gründen. Eine Siedlung mit Kobolden seiner Art, die ein neues Leben beginnen wollen. Das würde sein Schicksal erfüllen.«
»Ja, aber das ist doch gut! Hast du noch mal was von ihm gehört?«
Hilfesuchend blickte sich Nexus um. Langsam kam Salvatorus in Hörweite. Sein Kopf war vor Anstrengung hochrot angelaufen. Nur noch sein kurz geschorener Bart leuchtete hell in seinem Gesicht auf.
»Er verließ uns tatsächlich kurz darauf und ließ sich in Orcus nieder, wirklich. Doch bei dem Versuch, die anderen Düstersteinkobolde von seinen Ansichten zu überzeugen, wurde er erschlagen.« Seine Augen schlossen sich. »Der Täter wurde nie bestraft, hatte nämlich keinen interessiert. Wirklich wahr, ich mochte den verschrobenen Düstersteinkobold, und wenn wir nicht hierhergekommen wären … er würde bestimmt noch leben.«
»Das ist es doch, was ich die ganze Zeit sage!«, brummte Salvatorus missmutig. »Das Orakel kennt die Wahrheiten, aber es liebt es, Ratsuchende ins Unglück zu stürzen. Mina, zum letzten Mal, ich bitte dich, das hier zu unterlassen! Lass uns umkehren und die kleine Wanderung als einen schönen Spaziergang in deinem neuen Herrschaftsgebiet ansehen, ja?«
Sie blickte von Nexus zu Salvatorus, dann zu dem breiten Loch im Boden. Die Öffnung erinnerte sie an ein zahnloses Maul, das nur darauf wartete, jemanden zu verschlingen. Ohne Salvatorus eine Antwort zu geben, trat sie an Nexus vorbei und glitt in die Öffnung.
Der Gang führte steil abwärts. Sie roch Feuchtigkeit und spürte, dass es deutlich kühler wurde. Sie fröstelte. Platschende Schritte hinter ihr verrieten, dass Salvatorus und Nexus folgten. Dafür war sie dankbar. Je tiefer sie vorstießen, desto dunkler wurde es. Irgendwann bemerkte sie, dass weiter unten die Wände selbst Licht spendeten. Eine phosphoreszierende Schicht aus ungewöhnlich dichtem Moos wuchs auf dem kalten Stein und gab Besuchern die Möglichkeit, darauf zu achten, wohin sie ihre Füße setzten. Dann endete der tunnelähnliche Steingang, und ein breiter Hohlraum öffnete sich vor ihnen. Minas Atem ging schneller. Sie wusste nicht, was sie erwartet hatte, aber die Schlichtheit der Höhle überraschte sie. Hier gab es kein Tor, kein Hindernis und keine Wächter, die Wanderer aufzuhalten versuchten. Nein, es gab hier nichts außer nackten Steinwänden, an denen sich schmale Wasserrinnsale entlangschlängelten und aus denen gelegentlich kleine, grüne Pflanzen hervorspähten.
Zuerst geschah nichts. In der Mitte der Höhle befand sich ein regloser See. Die schimmernden Wände verliehen dem Anblick etwas Mystisches, doch Mina wusste nicht, ob sie der trügerischen Stille trauen sollte. Sie war hier von allen abgeschnitten, und wenn Jesa tatsächlich an ihr Rache üben wollte, wer würde sie aufhalten? Sie schaute zu Salvatorus. Er blickte sich ständig um, als suche er etwas, dann erhob er seine Stimme: »Wo ist sie?«
Das fragte sich Mina auch.
»Wer sich in meine kleine Welt wagt, muss einen wahrlich guten Grund dafür haben!« Alle zuckten erschrocken zusammen. »Sagt mir, was ist euer Begehr?« Die Stimme hallte von einer Wand zur nächsten.
Mina sah, dass der vormals ruhige See in Wallung geraten war. Sie nahm sich ein Herz und räusperte sich. »Es war mein Wunsch, hierherzukommen, denn ich hörte von deiner unbegrenzten Weisheit, Jesa.«
Das Wasser bewegte sich noch mehr. »Den Namen `Jesa´ habe ich schon lange nicht mehr gehört, Menschlein. Die meisten nennen mich nur `das Orakel´ .« Die Stimme erinnerte an eine wunderschöne Frau, aber es lag auch eine erschreckende Gefühlskälte darin.
»Jesa, man sagt, du kannst die Geschehnisse der Welt sehen. Du kannst in die Zukunft, in die Gegenwart und in die Vergangenheit blicken. Ist das richtig?«
Jesa schwieg. Mina fühlte sich eingehend gemustert. Etwas schien sie mental zu berühren, über ihren Körper zu fahren und ihren Geist zu erforschen. Es war unangenehm und beängstigend, doch sie blieb eisern stehen. Wenn sie sich nun umdrehte und aus der Höhle lief, wäre jede Verhandlungsbasis verloren.
Plötzlich schoss
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