Erbe des Drachenblutes (German Edition)
Rat?«
Jesa schaute ihn an. »Ich bin, was ich bin, Kobold. Zwar kann ich meine Worte variieren, aber die Götter haben meinen Fähigkeiten Grenzen gesteckt. Gelegentlich verbieten sie mir, direkte Antworten auf Fragen zu geben.«
»Die Götter sind aber nicht hier«, stellte Mina fest.
»Nein, das sind sie nicht, dennoch obliegen meinen Fähigkeiten gewisse Grenzen. Ich weiß, was ich darf und was nicht. Du bekommst von mir eine Prophezeiung, mehr kann ich nicht für dich tun.«
Jesas Gestalt begann von innen heraus sanft zu glühen. Ihr Blick schien in die Ferne zu schweifen, dann vernahm Mina ein Summen in der Luft.
Jesa sagte: » Mina von Gabriel, suche den Ursprung deines Blutes im Innersten des Auges der Götter. Dort wirst du die Antworten erhalten, die dein Herz begehrt. Das Schicksal ist eng mit dir verwoben, und dein Mitleid kann dem Land Frieden bringen. Finde das Kind, welches keines ist, und rette es. « Die letzten Worte hallten schwer in der Höhle und ließ Minas Herz erstarren.
»Eine Reise«, flüsterte Mina.
Jesa begann sich Richtung Wasser zu bewegen. Offenbar sah sie ihre Aufgabe als erfüllt an.
Mina erhob eine Hand. »Warte, ist das alles? Kannst du mir nicht mehr sagen? Was werde ich dort finden?«
Jesa schmunzelte, blieb jedoch nicht stehen. Ihr halber Körper war bereits unter Wasser. »Meine Gabe ist auch ein Fluch! Vergiss das nie. Mehr kann ich dir nicht helfen, doch wenn du zum Auge der Götter reist, werden sich deine Fragen klären.«
»Aber was soll ich dort tun? Du weißt doch noch mehr, Jesa!«
»Ja, ich weiß mehr, doch ich kann es nicht über meine Lippen bringen. Geh und lerne, was jedes Kind schon weiß: Das Leben ist ein Gleichklang zwischen Glück und Unglück. Das eine kann nur durch das andere existieren.«
Mit diesen Worten versank auch Jesas Kopf im Wasser. Nur wenige Herzschläge später versiegten die letzten Bewegungen auf der Oberfläche. Vor ihnen lag wieder ein erstarrter See, in dem es scheinbar kein Leben gab. Salvatorus war blass geworden. Noch hallten Jesas Worte in seinen Ohren. Soweit er es wusste, kannte Mina die Schicksalsprophezeiung nicht, aber die Ähnlichkeit zwischen den alten Worten und der gerade gesprochenen Prophezeiung war gravierend. Er wusste nicht, was er davon halten sollte. Er betrachtete Mina mit einer neu entstandenen Aufmerksamkeit. Noch würde er sie nicht darauf ansprechen, möglicherweise würde er das nie, aber jetzt erst wurde ihm klar, welch schwerer Hauch von Fügung sie umgab.
v v v v v
Salvatorus, Mina und Nexus befanden sich auf dem Rückweg. Eine Wiese mit kniehohen Grashalmen und vereinzelten Wildblumen breitete sich vor ihnen aus. Vögel zwitscherten, und einige Insekten stimmten ein konstantes Brummen an. Am Horizont konnte man schon die Umrisse des Palastes erahnen. Zuerst sprach niemand ein Wort, doch irgendwann umklammerte Mina ihre Oberarme. Sie fröstelte, trotz Sonne. »Es ist frisch geworden«, sagte sie gedankenverloren.
Im gleichen Moment stupste sie etwas an ihrer Hüfte. Dort hing der kleine Lederbeutel, der Seidenzahn übergangsweise als Zuhause diente. Die Elementenratte hatte sich sehr ruhig verhalten, wahrscheinlich hatte sie geschlafen. Jetzt jedoch war sie munter und schien Langeweile zu haben. Mina musste lächeln, als sich ihr eine weißrosa Nase durch die zusammengeschnürte Öffnung des Lederbeutels entgegenreckte.
Salvatorus blickte Mina irritiert an, doch dann nickte er. »Es stimmt, es ist ein wenig frisch geworden. Ziemlich ungewöhnlich für die Tageszeit.«
»Wen wundert's, nach dem, was wir erlebt haben«, erwiderte Nexus.
Salvatorus wollte noch etwas sagen, doch dann spürte er ein leichtes Vibrieren unter seinen Füßen, es kam direkt aus dem Erdboden. Mina und Nexus spürten es auch. Sie fühlte, wie sich Seidenzahn aufheizte: Die Ratte hatte Angst. Innerhalb von wenigen Herzschlägen schwollen die Erschütterungen so an, dass alle drei mit dem Gleichgewicht zu kämpfen hatten. Entsetzt schauten sich Mina und Salvatorus an. Nexus quietschte und fiel hin.
»Das kann nicht sein«, flüsterte Salvatorus. Er war blass geworden, als ob er einen Geist gesehen hätte. »Niemals! Niemals kommen sie so weit in den Norden.«
Mina überlegte, was er meinte, doch etwas in ihrem Verstand wusste es bereits. Gerade, als sie nach ihrem Dolch nestelte, geschah es: Direkt vor ihr brach die Erde unter lautem Getöse auf. Erdbrocken flogen nur knapp an ihrem Gesicht vorbei und spritzten breit
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