Erbe des Drachenblutes (German Edition)
bis er wieder einen Teil der Höhle erkannte, deren steinerne Wände vor lauter Büchern kaum zu sehen war. Wozu ein Drache so viele Bücher brauchte, war ihm nie ganz klar gewesen. Die meisten von ihnen waren für menschliche Hände bestimmt und somit so klein, dass ein Drache unmöglich die Seiten umblättern konnte.
»Sommu Seth, ich rufe dich! Verdammt, kannst du mich denn nicht hören? Wir haben es eilig!«
Da vernahm er das schwere Scheuern von Schuppen auf Stein. »Was brüllst du so, Nirvan? Zuerst lässt du uns Wochen warten, dann meldest du dich fast täglich? Wie kommt das?«
Nirvan war nicht zu Scherzen aufgelegt. »Wie es kommt? Ich rufe dich sicherlich nicht aus Spaß. Ich brauche deine Hilfe. Cor Keto hat erfahren, dass Mina mit einer Gruppe von Greifenreitern auf dem Weg zum Auge der Götter ist und dass sich dort angeblich Lian versteckt halten soll. Hast du gehört? Lian soll noch leben!«
Ein tiefes Brummen erfüllte die Höhle, die Nirvan nur im Ausschnitt erblickte. Kurz darauf schnellte ein mächtiger Drachenkopf mit smaragdgrünen Augen in sein Sichtfeld. Wachsam, fast bedrohlich schaute ihm der Drache entgegen. »Was erzählst du da! Wie kann Cor Keto auch nur in Erwägung ziehen, dass sie noch lebt? Das ist Blödsinn!«
Der Magier winkte ab. »Das willst du mir erzählen? Du, ein Drache, in dessen Leib mehrere Geister wohnen und der behauptet, dass er in der Zukunft einige Jahrhunderte in der anderen Welt leben wird? Eine Kreatur, die selbst durch Raum und Zeit gereist ist und das Unmögliche möglich gemacht hat?« Er ließ eine Weile vergehen, dann senkte er die Stimme. »Du weißt, dass alles möglich sein kann, wenn die Magie ausreichend und richtig verwendet wird. Wir müssen zumindest davon ausgehen, dass es stimmen könnte. Soweit ich es erfahren habe, hat Mina das zumindest vom Orakel der Verdammung erfahren.«
»Der weibliche Schatten-Seraphin?«, wollte sich Sommu Seth fragend versichern. Nirvan nickte. Der Leviathan verzog seine Lefzen zu einem Lächeln. »Ich erinnere mich. Es ist schon eine Ewigkeit her, da war sie noch eine junge und hübsche Frau, kein Monster, wie heute. Schon damals wirkte sie auf das Land und seine Bewohner ein. Mythen und Legenden ranken sich um ihre Vergangenheit. Ich hörte, sie soll sogar die Grenzen des verlorenen Reichs überschritten haben. Zu gerne wäre ich ihr ein Mal persönlich begegnet und mir wäre es gleich, wie sie heute aussieht.« Er wurde wieder ernst. »Aber was man auch immer über sie sagen mag, sie kann tatsächlich die Geschehnisse der Zeit sehen. Ihre Wahrsagungen stimmen. Wir wissen das leider aus eigener Erfahrung, aber das ist eine andere Geschichte.« Sein schwerer Körper senkte sich in eine sitzende Position. »Du hast recht, Nirvan, dass du besorgt bist. Wir entschuldigen uns für unseren Zweifel. Wir sind auch mehr als froh, dass wir dich haben. Ohne dich wären wir abgekapselt von der Welt. Du ersetzt uns unser Augenlicht und unsere Ohren in die Außenwelt.«
»Gut, aber was tun wir jetzt?« Nirvan blickte über seine Schulter. Das Gespräch dauerte schon zu lange. Was war, wenn Medana oder eine andere magisch begabte Person die Schwingungen der magischen Beschwörung wahrnahm?»Wir haben einen Plan«, sagte der Drache und senkte seine Stimme zu einem Flüstern. »Hör uns gut zu!«
v v v v v
Nirvan fror, obwohl er einen Mantel aus schwarzem Bärenfell über seine bereits gefütterte Kleidung trug. Er war kein Mensch, der sich gerne in der Kälte aufhielt, aber es blieb ihm nichts anderes übrig. Seit Tagen erklommen sie steile Berghänge, arbeiteten sich mühselig einige Geröllfelder hinauf oder stapften durch kniehohen Schnee. Oft schon wären sie nicht weitergekommen, wenn er nicht mit seinen magischen Kräften nachgeholfen hätte.
Am Tag nach Cor Ketos Befehl hatten sich Ignis, Nirvan und dreißig schwerbewaffnete menschliche Krieger in einem Seitensaal der Festung mit Medana getroffen. Bepackt mit winterfester Ausrüstung, ausreichenden Lebensmitteln und scharf geschliffenen Waffen, hatten sie sich um die alte Schamanin versammelt. Wie sie es von ihrem Monarchen aufgetragen bekommen hatte, hatte sie ihre Energie gesammelt, um den Ausgesandten einen Vorteil zu verschaffen. Später konnte Nirvan nicht mehr sagen, wie es angefangen hatte, doch plötzlich hatte er Nebelschwaden durch die Wände dringen gesehen, die sich schleierhaft um die Versammelten gelegt hatten. Er hatte gespürt, wie sein Körper schmerzte
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