Erbe des Drachenblutes (German Edition)
mit den Schultern. »Mit Raubtieren kannte ich mich bereits aus.«
Der Drache lachte. Es war ein donnernder, grollender Ton, der von den Höhlenwänden zurückgeworfen wurde. »Oh ja, er schimpfte und fluchte wie ein alter Greis, der Gevatter Tod von der Türschwelle vertreiben wollte. Er rief uns zu, dass wir eine olle Echse seien, die er mit seiner Magie schmoren lassen würde, wenn sie näher käme. Unser Herz wolle er seinem Meister bringen, unseren Schwanz in feine Scheiben schneiden und aus unseren Zähnen ein paar schöne Dolche anfertigen.«
Nirvan erwiderte das Lachen. Voller Unbeschwertheit neigte er sich nach hinten und legte seien Kopf in den Nacken. »Ach ja, das waren noch Zeiten. Es war wunderbar! Kinder sind so unbeschwert.«
»Unbeschwert?«, fragte Mina. »Warst du denn wahnsinnig? Er hätte dich fressen können.«
Er winkte ab. »Was hätte ich verlieren können? Ich hatte damals nichts, was er mir hätte nehmen können. Im Grunde begann mein wahres Leben auch erst nach dieser ersten Begegnung. Sommu Seth wurde mein einziger Freund, und er war es auch, der mich das Überleben in der Festung des blutenden Herzens lehrte.«
»Tja, du hattest Glück, dass wir deine Beschimpfungen als amüsant empfanden und dich am Leben ließen. Wir haben einfach ein zu gütiges Herz, und deine wilde Art rührte unser Mitleid.« Der tiefe Bass der Drachenstimme summte leicht. Mina erinnerte der Ton an das Schnurren einer riesigen Katze. »Wie konnte man auch kein Mitleid mit einer so kleinen und schmutzigen Kreatur empfinden? Wir nahmen ihn mit und zeigten ihm unsere Behausung. Hier sorgten wir dafür, dass er sich wusch, ordentlich anzog und so viel aß, bis er stöhnend umfiel. Menschliche Kleidung habe ich in allen Größen vorrätig. Über die Jahrhunderte verirrten sich gelegentlich Wanderer hierher, doch bei unserem Anblick ließen sie stets alles fallen und rannten fort. Und als praktisch denkender Drache haben wir natürlich alles aufgehoben. Man weiß ja nie, ob man es nicht gebrauchen kann. Auch gaben wir ihm die gesuchten Kräuter, damit er ohne Schmach zurückkehren konnte. So begann der junge Nirvan uns zu vertrauen und versprach, dass er niemandem von uns erzählen würde. Sein Versprechen hielt er bis heute, und seitdem nutzte er jede Gelegenheit, um sich aus der Festung fortzuschleichen und uns zu besuchen.«
»Das stimmt«, fügte Nirvan hinzu. »Er schenkte mir Kleidung, gab mir zu essen und hörte sich meine ständigen Beschimpfungen an. Denn egal was er tat, ich drohte ihm weiterhin und machte ihm klar, dass ich keine Angst vor ihm hatte.«
»Keine Angst und keinen Respekt«, erwiderte Sommu Seth ein wenig vorwurfsvoll.
»Wieso? Bei meinem zweiten Besuch war ich doch bereits ausgesprochen freundlich«, sagte Nirvan.
»Na ja, seine Beschimpfungen waren nur noch halb so frech.«
Nirvan kicherte, hob die Hand und tätschelte einen Teil von Sommu Seths Fuß, aus der vier scharfe, gebogene Krallen herausragten. Jede von ihnen war so groß wie Nirvans Unterarm. »Wir hatten eben einiges gemeinsam. Wir waren doch beide einsam und suchten einen Freund, oder? In deiner Gegenwart fühlte ich mich immer wohl, und du hattest jederzeit Verständnis für mich.«
»Gut«, warf Mina ein, »aber was war nun mit euren mentalen Kontakten? Warum diese Geheimniskrämerei vor mir?«
»Nicht zu vergessen, Sommu Seth, dass du uns von deinen Geschenken berichten wolltest«, versuchte es Nirvan erneut.
Der rotgeschuppte Drache streckte seine Flügel aus, reckte sich und stand auf. »Nirvan hatte viel von Sennus Nachtschatten gelernt, aber wir lehrten ihn Dinge über Magie, die nur ein Drache wusste. So zeigten wir ihm, wie er mit uns jederzeit in Kontakt treten konnte, ohne dass es die Magiebegabten in Crudus Cor bemerken konnten. Die Geheimhaltung unserer Verbindung vor Freund und Feind erschien uns absolut notwendig. Zu groß war das Risiko, dass der Falsche davon hätte erfahren können. Er informierte uns so oft er konnte über die Geschehnisse außerhalb, und als Nirvan berichtete, dass ihr alleine auf dem Weg hierher seid … « Der Drache seufzte. »Was für eine Gelegenheit, die letzte lebende Drachentochter zu treffen! Wir haben auf euch gewartet, und der Duft deines Blutes war nur ein weiterer Hinweis deiner Nähe gewesen.«
Minas Stimme klang belegt. »Ich weiß wirklich nicht mehr, was ich denken soll. Was soll aus uns werden? Zwar weiß ich nun, dass mein Drachenblut zu weit mehr in der Lage ist,
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