Erbe des Drachenblutes (German Edition)
hierfür bereit sein kann! Nirvan, wenn wir dort reingehen, dann werde ich versuchen, in den Brunnen zu gelangen«, sagte sie und spürte, wie sich ihre Kehle zuschnürte. Sie wollte dort nicht hinein, sie wollte Nirvan nicht in Gefahr bringen, aber etwas in ihrem Verstand zeigte ihr keinen anderen Ausweg. Ein Gefühl von Verantwortung – Verantwortung den Bewohnern von Dra'Ira gegenüber und Verantwortung gegenüber ihren Vorfahren, insbesondere gegenüber ihrer leiblichen Mutter Samantha – lastete ihr mit dem Gewicht eines Berges auf der Seele.
»Nirvan, du musst für eine Ablenkung sorgen. Cor Keto darf nicht merken, was mein eigentliches Ziel ist. Ich bin davon überzeugt, dass wir zwei alleine ihn nicht aufhalten können, aber die fremdartige Wesenheit, die sich in den Brunnen zurückgezogen hat, kennt seine Geheimnisse. Ich weiß nicht, ob es mir gelingt, aber ich will es auf unsere Seite ziehen.« Ihr versagte kurz die Stimme. »Es könnte sein, dass wir uns nie wiedersehen …«
Er nickte nur, trat näher an sie heran und neigte sein Gesicht zu ihr. »Mina«, hauchte er, »ich will, dass du weißt, dass ich dich liebe.«
Ihr kamen die Tränen. »Ich weiß es!«
Sanft presste er seine Lippen auf die ihren. Es war ihr erster Kuss, und Mina fühlte sich, als flatterten hunderte von Schmetterlingen in ihrem Bauch. Für Bruchteile einer Sekunde schien nichts anderes von Bedeutung zu sein. Auch gab es in diesem Herzschlag keine Feinde oder Freunde, es gab nur sie beide. Was hätte sie dafür gegeben, wenn der Moment ewig dauern würde, doch da zog sich Nirvan wieder zurück.
Sie hätte so gerne etwas gesagt, das Richtige gesagt, aber ihr fehlten die Worte.
Er fuhr mit seinen Fingern über ihre blasse Wange und wischte ihr eine Träne aus dem Augenwinkel. »Es ist so weit«, sagte er leise. »Ich danke dir für die Zeit, die ich mit dir verbringen durfte. Du hast aus mir einen besseren Menschen gemacht, Mina. Wenn ich könnte, würde ich mein Leben mit dir verbringen.«
`Dann lass uns gehen!´, wollte sie rufen . `Lass uns umkehren und nie wieder zurückblicken. Wir gehen weit fort, so weit, bis wir an einen Ort gelangen, in dem die Begriffe `Cor Keto´ oder `erwachte Drachentochter´ ohne jede Bedeutung sind.´
Das war es, was sie am liebsten gesagt hätte, aber sie konnte es nicht. In ihrem ganzen Leben, gleich in welcher Welt, hatte großes Pflichtgefühl jeden ihrer Schritt begleitet. Ob ihr das in die Wiege gelegt worden war, wusste sie nicht, aber sie wusste, dass sie nie wieder irgendwo zufrieden leben könnte, wenn sie jetzt nicht zumindest versuchte, Cor Keto aufzuhalten. Sie blickte zu den mächtigen Türen, dann zu Nirvan. Er verstand. Zuletzt schenkte er ihr ein seliges Lächeln, dann schloss er die Augen, und ein rotes Glühen trat hinter seinen Augenlidern hervor. Unverzüglich flogen die beiden Türflügel mit einem ohrenbetäubenden Knall auf. Mina und Nirvan umfassten ihre Klingen fester und rannten brüllend in den Audienzsaal des Monarchen.
v v v v v
Der langgezogene, hohe Raum war vollständig leergeräumt worden. Kein Tisch, kein Stuhl, nicht einmal ein Gemälde befand sich mehr darin. Nur der edle Putz und die teuren Vorhänge erinnerten daran, dass es sich um das Gemach einer hochrangigen Persönlichkeit handeln musste. In der Mitte standen zwölf in Finsternis gehüllte Gestalten, die sich an den Händen hielten und einen Kreis bildeten. Alle trugen bodenlange Mäntel mit weiten Kapuzen, die ihnen tief ins Gesicht hingen. Ein düsterer Gesang ging von ihnen aus, schwebte zäh in der Luft, benebelte jeden Zuhörer und entrückte ihn der Realität. In der Mitte des Kreises stand eine weitere Person, deren muskulöser Oberkörper unbekleidet war. Deutlich waren von den Schulterblättern bis hin zu den Handgelenken eingebrannte Runen auf der Haut zu sehen. Sie versprachen die Finsternis und das Ende. Zados hatte die Tür so leise geöffnet, dass keiner der Anwesenden sein Eindringen bemerkt hatte. Auch Nexus und Salvatorus waren lautlos hinter ihm eingetreten. Mit großen Augen beobachteten sie die begonnene Zeremonie.
Nexus schlug eine Hand vor den Mund, als er fast über drei Leichen gestolpert wäre. Vor ihm lagen – unnatürlich verkrümmt – ein Volksvertreter der Hafenstadt Harlekin, ein Sanggus und ein Schattenkesselbewohner. Als er sich umblickte, erkannte er noch zwei weitere Leichen, die ebenfalls die typischen Mäntel von Schattenkesselbewohnern trugen. Ihre Körper
Weitere Kostenlose Bücher