Erbe des Drachenblutes (German Edition)
klaffte eine große Platzwunde, ihre linke Hand und ihr linker Arm waren unnatürlich verdreht – sicherlich beides gebrochen –, aber sie lebte.
Er strich ihr sanft über die Haare und tätschelte ihre Wange, doch sie zeigte keine Regung.
»Sie ist nur ohnmächtig.« Die Stimme gehörte einer Frau.
Nirvan schaute über seine Schulter. Er wusste nicht mehr, was er denken sollte. Alles, was in seinem Leben real gewesen war, war in den letzten Stunden in eine Traumwelt verschoben worden. Und so passte auch das, was er schräg hinter sich erblickte: die majestätische Samantha. Sie schenkte ihm ein bezauberndes Lächeln. »Ich weiß, was du riskiert hast, Nirvan, um meiner Tochter zu helfen. Das werde ich dir niemals vergessen.«
Er bewegte sich nicht. Ohne zu blinzeln, stierte er sie an, Mina auf seinem Schoß.
»Seitdem ich nicht mehr bin, habe ich auch erkannt, was ich schon längst hätte erkennen müssen: Du bist Salvatorus´ Sohn.«
Jetzt schaffte er es, zustimmend zu nicken.
Samantha summte amüsiert. »Weißt du, Salvatorus liebt dich. Er liebt dich wirklich. Dank Minas Zuneigung habe ich für kurze Zeit einen Weg in das Diesseits gefunden. Dabei habe ich Dinge erfahren, die mir vorher fremd waren. Du bist nicht mehr der Magier, der einst aus Rachsucht nach Tempelburg kam. Im Gegensatz zu Melanie hast du dir keine Schuld aufgebürdet, obwohl du es ursprünglich wolltest. Daher lege ich dir nahe, zurück zu gehen und deine Angelegenheiten zu klären.«
Nirvan nickte erneut, fand aber noch immer keine Worte.
»Ich muss wieder gehen, Nirvan. Wir alle müssen das, denn wir gehören nicht hierher. Aber ich bitte dich, dass du bei meiner Tochter bleibst und sie beschützt. Sie hat in einer viel zu kurzen Zeit viel zu viel leisten müssen, und das muss sie erst verarbeiten. Sie wird einen guten Freund brauchen.«
»Ja …«, erwiderte er unsicher. Dann erst fiel der Unglauben von ihm, und er räusperte sich verlegen. »Meine Herrin, Ihr seid es wirklich! Ich verspreche Euch, dass ich mich stets um Mina kümmern werde und ihr mit Rat und Tat zur Seite stehe.«
Samantha neigte leicht den Kopf. »Etwas anderes hatte ich auch nicht erwartet, Nirvan.«
Lautlos trat sie an ihm vorbei, neigte sich über Mina und berührte ihre Verletzungen. Ein lautes Knirschen drang aus dem Handgelenk, ein zweites aus dem Arm. Stöhnend warf Mina den Kopf hin und her, dann war es schon vorbei. Samantha trat zurück und ging zu den anderen elf Drachentöchtern. Dort in der Reihe angekommen, löste sich eine nach der anderen auf.
»Aber was wird aus Cor Ketos Armee? Was ist mit dem Schutzschild?«, rief Nirvan ihnen hinterher.
Samantha schenkte ihm einen beruhigten Blick. »Ein göttlicher Schutzschild kann und darf auch nur von einem Gott wieder aufgehoben werden, und das ist geschehen. Pontos hat seinen alten Lebenswillen und seine Erinnerungen wiedergefunden. Er hat die Entscheidung getroffen und den dunklen Kontinent befreit, so wie es sich Mina von ihm gewünscht hat.«
Nirvans Augen glitzerten fiebrig. »Oh, bei Gaia, dann wird die dunkle Armee auch ohne Cor Keto wie eine Heuschreckenplage über das Festland herfallen. Was sollen wir tun, um sie aufzuhalten?«
Alle Drachentöchter waren fort, bis auf Samantha, die zusehends durchscheinender wurde. »Dem ist nicht ganz so. Wir haben unseren Teil beigetragen und allen Bewohnern des dunklen Kontinents Frieden und Mitleid ins Herz gepflanzt. Das wird nicht immer so bleiben, aber ihre Kampfeslust ist gestillt, vorerst. Sicherlich werden sie eines Tages – der eine früher, der andere später – den dunklen Kontinent verlassen, aber bis dahin wird Mina zur neuen Regentin gekrönt worden sein und einen Weg finden, wie man mit mehr Gerechtigkeit das Gute und das Böse im Zaum halten kann.«
»Aber was ist mit Melanie? Kommt sie ungestraft mit Eurem Mord davon?«
»Nein, Nirvan, das wird sie nicht. Ich habe sie schon einige Tage im Auge und flüstere ihr ein Gewissen ein. Zwar hatte ich noch keinen großen Erfolg damit, aber ich werde sie nochmals besuchen. Ich werde versuchen, ihr beizubringen, Mitleid zu empfinden.«
Nirvan fuhr sich nervös mit der Zunge über die Lippen. »Werdet Ihr sie töten?«
»Das habe ich nicht gesagt. Ich meinte es ernst, als ich sagte, dass ich ihr Manieren beibringen möchte. Sie hat wirklich einen Neuanfang verdient, trotz ihrer Taten. Wenn ich Erfolg haben sollte, wird die größte Strafe sein, dass sie mit der Schuld, die sie sich
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