Erben der Macht
Deshalb hatten sie nicht wissen können, dass es nicht allzu schwierig war, diese Bedingungen zum Öffnen des Tores zu erfüllen.
Reya machte eine wegwerfende Handbewegung. „Das können wir mit ein paar einfachen Zaubern bewirken. Das Problem ist, dass die beiden Liebenden aus meinem und deinem Blut, die das Tor öffnen könnten, reine kayápu sein müssen. Um überhaupt lieben zu können, müssen sie aber Menschenblut in sich tragen.“ Sie deutete auf das Geflecht. „Nach dem hier zu urteilen mindestens zur Hälfte.“
Mokaryon machte ebenfalls eine wegwerfende Handbewegung. „Es wird uns schon was einfallen, wie wir das Menschenblut aus ihnen rausbekommen, wenn es so weit ist. Wir haben bis dahin etliche Jahre Zeit, in denen wir mit Menschenhybriden experimentieren können. In jedem Fall werden wir beide in 91 Jahren zum erforderlichen Zeitpunkt jeder einen halb-kayápuri Nachkommen zeugen.“ Er blickte das Menschenpaar an, das sich in eine Ecke gekauert hatte und Mokaryon und Reya furchtsam ansah. „Da diese Form von Liebe – was immer das ist – offenbar ein gegengeschlechtliches Paar erfordert, wird einer von uns einen Sohn, der andere eine Tochter zeugen. Falls die nicht von selbst dieses seltsame Gefühl füreinander entwickeln, werden wir bis dahin einen Zauber entwickeln, der es in ihnen hervorruft, und zwar ausschließlich füreinander.“
Er spürte, dass Reya beeindruckt war. Gut. Sehr gut.
„Falls es nicht funktioniert …“, sagte sie.
Mokaryon unterbrach sie. „Dann werden wir das Ganze in 333 Jahren wiederholen. Und immer wieder, bis wir Erfolg haben.“
*
Ke’tarr’ha-Residenz, Gegenwart
Das Bild im Spiegel löste sich in milchig schimmernde Schlieren auf. Devlin starrte eine Weile darauf, ehe er Gressyl ansah, der nachdenklich auf den leeren Spiegel blickte. Gressyl – der offenbar sein Bruder war. Halbbruder. Wenn er Reyas designierter Nachfolger gewesen war, dann musste er ihr Erstgeborener sein, weil nur der Stärkste die Nachfolge antrat und durch eine Besonderheit in den dämonischen Genen der oder die Erstgeborene immer die größten Kräfte erbte.
„Warum hast du mir das nie gesagt, Gressyl?“
„Was?“ Gressyl sah ihn irritiert an.
„Dass du mein Bruder bist.“
Gressyl blickte wieder zum Spiegel und schüttelte den Kopf. „Das gehört offensichtlich zu den Dingen, die ich vergessen habe. Ich wusste es nicht. Nicht mehr.“ Er runzelte die Stirn. „Ich muss es schon vor sehr langer Zeit vergessen haben. Keine Ahnung, warum.“
„Ich vermute, aus demselben Grund, der dir deine geistigen Fähigkeiten geraubt hat“, sagte Bronwyn, die immer noch mit dem Rücken gegen Devlins Brust gelehnt saß und sich in seine Arme schmiegte. Sie legte den Kopf zurück und blickte ihn an. „Offensichtlich lag das nicht an dem Übergang in diese Welt, wie du behauptet hast, Devlin. Wie wir gerade gesehen haben, war Gressyl ganz normal intelligent, als er in diese Welt kam.“
„Reya hat das behauptet“, verteidigte er sich. „Da ich damals noch nicht geboren war, musste ich das glauben.“
Bronwyn schnaubte. „Das hat sie wahrscheinlich gesagt, weil sie für Gressyls geistige Behinderung verantwortlich ist. Ansonsten wüsste ich keinen Grund, warum sie hätte lügen sollen.“
Gressyl nickte. „Das sehe ich auch so. So wie sie mich behandelt hat, seit ich mich tatsächlich erinnern kann, muss ich gewaltig ihren Zorn erregt haben. Wie ich sie kenne, hat sie mich wahrscheinlich nur deshalb nicht umgebracht, damit ich möglichst lange leide.“ Er zuckte mit den Schultern und blickte Devlin an. „Trotzdem bist du mein König, Maru.“
„Wieso eigentlich?“, wandte Bronwyn ein. „Das frage ich mich schon die ganze Zeit. Wieso sind Devlin und ich die Könige und Mokaryon und Reya nur Fürsten?“
Devlin streichelte ihre Arme. „Das hat mit den dämonischen Hierarchiegesetzen zu tun. König ist immer der mit der größten Macht. Dadurch, dass wir die beiden einzigen Wesen sind, die das Eine Tor öffnen könnten, besitzen wir mehr Macht als jeder andere Dämon in dieser Welt. Obwohl andere über eine stärkere Magie verfügen als wir beide, macht uns dieses eine Detail allen anderen überlegen. Darum sind wir die Könige.“
„Nur in dieser Welt“, schränkte Gressyl ein. „Denn in der Unterwelt ist Luzifer der unangefochtene König, weshalb alle anderen magisch mächtigen Dämonen nur Fürsten sind. Ich glaube, Reya und Mokaryon waren neben
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