Erben der Macht
ging unter die Dusche und zog sich anschließend an. Keinen Moment zu früh, denn ein Klopfen an der Zimmertür in einem typischen Rhythmus verriet ihm, dass Travis draußen stand. Er ließ ihn herein. Sein Partner blickte sich suchend um und seufzte enttäuscht, als er Sam nirgends sah und auch kein Geräusch aus dem Bad anzeigte, dass sie dort sein könnte. Er blickte Wayne anklagend an.
„Was hast du getan, um Sam zu vertreiben?“
„Nichts. Sie musste zu einem Notfall nach Hause. Aber sie hat mir ein paar wichtige Informationen gegeben, die ich gleich O’Hara mitteilen wollte.“
Travis sah, dass frischer Kaffee auf der Wärmeplatte der Kaffeemaschine stand , und schenkte sich und Wayne eine Tasse ein. „Da bin ich gespannt.“
Wayne rief O’Hara an und berichtete ihr und Travis, was Sam ihm offenbart hatte.
„Das sind halbwegs beruhigende Neuigkeiten“, fand O’Hara. „Was ist mit Ms. Kelley und Mr. Blake? Hat Ms. Tyler etwas darüber gesagt, ob sie überleben werden?“
„Nein, Ma’am. Wenn ich etwas vorschlagen dürfte?“
„Nur zu.“
„Mal ganz abgesehen davon, dass ich glaube, dass die beiden sich bis zur Sonnenwende an einem Ort aufhalten werden, den zumindest wir nicht ausfindig machen können, erscheint es mir nicht sinnvoll, einen Kontakt zu versuchen. Da weder sie noch wir wissen, ob sie überleben werden, hätte unser Angebot an sie, bei Operation Spinnennetz mitzuwirken, keinen Erfolg auf Zustimmung. Wir sollten sie in Ruhe lassen und ihnen unser Angebot unterbreiten, falls sie am 22. Dezember noch leben sollten. Alles andere hätte keinen Sinn.“
O’Hara hatte Operation Spinnennetz ins Leben gerufen, nachdem sie Chefin des DOC geworden war. Da es viel zu wenige paranormal begabte Agents wie Wayne und Travis, der einen Tag in die Vergangenheit sehen konnte, in den Reihen des DOC gab, hatte sie begonnen, Leute zu rekrutieren, die für das Department arbeiteten. Nicht alle von ihnen waren Menschen. Einige waren lediglich Informanten aus der okkulten Szene, die Tipps gaben, wo sich etwas zusammenbraute oder ereignet hatte, das in die Zuständigkeit des DOC fiel. Andere arbeiteten wie Sam als Freelancer sporadisch an Fällen mit, bei denen ihre speziellen Talente gebraucht wurden. Und einige wenige akzeptierten das Angebot, sich als DOC-Agents ausbilden zu lassen oder als Berater zu fungieren.
Bevor sie damit beauftragt worden waren, die Hüter der Waage aus dem Verkehr zu ziehen, war es Waynes und Travis’ Aufgabe gewesen, Bronwyn Kelley und Devlin Blake ausfindig zu machen und zu versuchen, sie für das DOC zu rekrutieren. Doch wann immer sie eine Spur zu ihnen gehabt hatten, waren die beiden längst weg, wenn sie an deren vermeintlichen Aufenthaltsorten angekommen waren. Und aus Gründen, die nur sie kannte, verweigerte Sam ihnen jegliche Hilfe in diesem Fall.
„Das sehe ich auch so, Agents“, sagte O’Hara. „Fahren Sie also damit fort, die Hüter der Waage einzusammeln.“ Sie unterbrach die Verbindung.
Travis sah auf die Uhr. „Bis unsere Zielperson im Motel angekommen ist, haben wir noch genug Zeit zum Mittagessen. Wenn wir fertig sind, hat sich Mr. Vargas hoffentlich davon überzeugt, dass er in seinem Versteck für die nächsten Stunden sicher ist , und ist etwas weniger wachsam.“
Das sah Wayne auch so. Er zog sein Jackett an und ging mit Travis in den Speisesaal des Hotels.
*
Das Motel, in dem Gordon Vargas sich einquartiert hatte, lag am Stadtrand von Indianapolis in der Michigan Road, nicht weit von der Auffahrt zum Highway 465 entfernt. Vargas hatte sich das letzte Zimmer am Ende des Gebäudetrakts geben lassen. Von dort aus konnte er im Notfall schnell verschwinden.
Dass der Gesuchte im Zimmer war, erkannten Wayne und Travis daran, dass Licht darin brannte und sein Schatten hinter den zugezogenen Fenstervorhängen sichtbar war, als er daran vorbeiging.
Wayne klopfte an die Tür. „Zimmerservice!“
Meistens funktionierte dieser alte Trick, aber nicht immer. Bei Vargas funktionierte er nicht. Der Mann spähte hinter dem Fenstervorhang vor und sah zwei Männer in schwarzen Mänteln, die nach FBI aussahen, nicht nach Zimmerservice. Wayne setzte seine Gabe ein und empfing Vargas’ panische Gedanken, der nicht begreifen konnte, wie man ihn hatte aufspüren können, besonders weil er bis vor zwei Stunden selbst noch nicht gewusst hatte, dass er nach Indianapolis kommen und in diesem Motel Station machen würde. Das konnte seiner Meinung nach nur
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