Erben der Macht

wenn er dem Glauben schenken wollte, was sie dem DOC über das Ausmaß ihrer magischen Kräfte offenbart hatte.
    Sie gab ihm einen Kuss und stand auf. Ihr Smartphone klingelte. Sie beförderte es mit einem Zauber in ihre Hand. „Abby, meine Süße, was ist passiert?“
    Wayne hörte aus dem Lautsprecher die laute und aufgeregte Stimme eines Kindes, konnte aber außer einzelnen Worten nichts verstehen.
    „Keine Panik, Abby. Ich bin in ein paar Minuten bei euch.“
    Sie schaltete das Phone aus und zauberte sich ihre Kleidung auf den Leib. „Meine Tochter hatte eine Vision, die sie sehr erschreckt hat. Da sie sich nur an die Visionen erinnern kann, die von besonders wichtiger Bedeutung sind, muss ich mich vorübergehend verabschieden.“
    „Deine – Tochter?“, wiederholte Wayne. Bisher hatte er noch nie davon gehört, dass ein Sukkubus ein Kind hätte. Ganz abgesehen davon, dass Sam noch nie ihre Tochter erwähnt hatte.
    Sie schüttelte lächelnd den Kopf. „Dachtest du, wir Dämonen hätten keine Kinder? Ich habe drei. Ach, und erwähnte ich schon, dass ich vor zehn Tagen geheiratet habe?“
    „Das ist ein Scherz“, war er überzeugt. Wäre dem so, wäre sie wohl in den Flitterwochen und hätte kaum in einem Hotel mit einem anderen Mann geschlafen als ihrem Ehemann.
    „Nein, die reine Wahrheit, weshalb ich das Gespött der ganzen Unterwelt wäre, falls noch irgendein Dämon es wagen sollte, über mich zu lachen. Aber das traut sich keiner mehr.“ Sie sah ihm in die Augen. „Und du überlegst jetzt, wie es mit meiner Moral bestellt ist, weil ich offenbar meinen frisch angetrauten Mann betrüge.“ Sie wartete seine Antwort nicht ab, sondern machte eine wegwerfende Handbewegung. „Er ist ein Werwolf und muss sich regelmäßig als Wolf in die Wildnis zurückziehen, um sein seelisches Gleichgewicht zu bewahren. Da er jedes Mal wochenlang wegbleibt und außer Wildnis nichts und niemanden um sich haben will, ich aber nicht so lange hungern kann, andernfalls ich sterben würde, lautet unsere Vereinbarung, dass ich mich in seinen Wildniszeiten – zum Beispiel gegenwärtig – ernähren kann, von wem ich will.“ Sie lächelte. „Heute warst du der Glückliche.“
    Sie ließ ihm keine Gelegenheit zu antworten, sondern verschwand von einer Sekunde zur anderen. Teleportation war, wie Wayne immer wieder feststellte, eine nützliche Fähigkeit. Mit ihrer Hilfe transportierte Sam ihn und Travis quer durchs ganze Land überall dorthin, wo sich Hüter der Waage versteckten, wenn sie nicht anderweitig dringend beschäftigt war. Immerhin arbeitete sie als Privatermittlerin in Cleveland und hatte, wie er gerade erfahren hatte, nicht nur ihren Job zu bewältigen, mit dem sie sich als Mensch tarnte, sondern auch eine Familie zu managen. Da die Hüter der Waage überaus zahlreich waren – allein in den USA lebten über dreitausend, weltweit über zwölftausend – hätte es Monate gedauert, sie alle auf herkömmliche Weise aufzusuchen.
    Sam hatte ihnen zwar eine spezielle Landkarte gegeben, auf der sie auf magischem Weg jeden Aufenthaltsort eines Hüters eingetragen hatte, aber die Hüter hatten inzwischen festgestellt, dass das FBI hinter ihnen her war und ihre Standorte kannte. Sie waren dazu übergegangen, ständig in Bewegung zu sein und sich nicht länger als einen Tag, höchstens zwei Tage am selben Ort aufzuhalten. Dank Sam nützte ihnen das nichts, denn sie spürte jeden auf, egal, wo er sich versteckte, und brachte Wayne und Travis per Teleportation hin. Die beiden verhafteten die Typen, verfrachteten sie ins nächste Gefängnis und ließen sie dort warten, bis sie von Mitarbeitern der nächstgelegenen FBI Division abgeholt werden konnten. Jedoch leisteten die Divisions bei der Fülle von Verhaftungen im Akkord Schwerstarbeit. Obwohl auch jede normale Division des Landes zusätzlich eingesetzt wurde, forderte die Massenverhaftung ihren Tribut. Wayne sehnte ein Ende der Affäre herbei, an deren Anschluss er und Travis einen wohlverdienten Urlaub nehmen würden.
    Auch hier in Indianapolis war ein Hüter untergetaucht. Vielmehr würde er in einer Stunde eintreffen und sich in einem kleinen Motel einnisten, wie Sam auf magischem Weg herausgefunden hatte. Da auch durchtrainierte und auf Ausdauer getrimmte FBI-Agents ab und zu mal schlafen und etwas essen mussten und hin und wieder auch mal Entspannung brauchten, hatten Wayne und Travis sich gestern Abend im Hotel einquartiert und Sams Gesellschaft genossen.
    Wayne