Erben der Macht
Unterwelt in diese Welt kommen konnten. O’Hara hatte Wayne und Travis beauftragt, Sam auszuhorchen. Wayne bezweifelte, dass das klappte, denn Sam ließ sich nur in die Karten schauen, wenn sie das wollte, sich aber niemals dazu verleiten, Informationen preiszugeben, die sie für sich behalten wollte.
„Raus damit“, forderte sie ihn auf.
„Wie bitte?“
„Dir brennt eine Frage auf der Seele. Spuck sie aus.“
Wayne war sich nicht sicher, ob er es angenehm fand, dass sie immer akkurat wusste, was er fühlte. Es vermittelte ihm allerdings einen Eindruck davon, wie sich andere Menschen in seiner Gegenwart fühlten, die wussten, dass er Telepath war. Selbst wenn sie überzeugt waren, dass er niemals ohne zwingende Notwendigkeit in ihre Gedanken eindringen würde, empfanden sie Unbehagen. So wie er in Momenten wie diesem, wenn Sam durch die Empathie mehr mitbekam, als er ihr sonst preisgegeben hätte. In diesem Fall hatte es aber einen unbestreitbaren Vorteil. Er streichelte Sams Wange. „Ich mache mir Gedanken über die kommende Wintersonnenwende und frage mich, ob du zufällig weißt, wie sie ausgehen wird.“
„Hm, hm.“ Sie nickte und lächelte verschmitzt. „Die Sonne wird untergehen wie jeden Tag und der Tag nach der offiziellen Zeitrechnung um Mitternacht enden.“
Er musste lachen. „Du weißt genau, dass ich das so nicht gemeint habe.“ Er wurde ernst. „Werden die beiden Auserwählten es schaffen, das Tor zu versiegeln?“
Sie schüttelte den Kopf. „Vielleicht, vielleicht nicht. Das muss euch Menschen aber nicht kümmern.“
Er richtete sich auf und blickte sie verständnislos an. „Entschuldige mal, Sam. Ich glaube, es geht uns Menschen eine verdammte Menge an, wenn deiner eigenen Aussage zufolge Millionen Dämonen schon auf der anderen Seite Schlange stehen und darauf warten, in unsere Welt einzufallen.“
„Stimmt. Sie stehen Schlange. Inzwischen ist ihre Zahl auf über eine Milliarde angewachsen. Aber falls das Eine Tor geöffnet werden sollte, wird trotzdem kein einziger von ihnen auch nur einen Zeh oder was immer er als Äquivalent besitzt in diese Welt setzen.“
Wayne wartete darauf, dass Sam das näher erklärte, aber das hatte sie offenbar nicht vor.
„Warum nicht? Vor allem: Was macht dich so sicher?“
Sie seufzte. „Ihr Menschen seid immer so verdammt neugierig. Der Grund sind Dämonenangelegenheiten, die euch nichts angehen. Aber damit deine liebe Seele Ruh’ hat – vielmehr die von Cecilia O’Hara – werde ich dir das Geheimnis verraten.“
Wayne blickte sie gespannt an und konnte sein Glück kaum fassen. Sollte Sam ihm tatsächlich eine ernsthafte Antwort geben?
„Die Unterwelt hat seit genau siebzehn Tagen eine Königin, die, wenn sie wollte, gleichberechtigt an Luzifers Seite über sämtliche Dämonen herrschen könnte. Zu eurem Glück ist diese Königin den Menschen sehr wohlgesinnt. Sie mag euch. Und darum wird sie ihre dämonischen Untertanen nachdrücklich daran hindern, diese Welt zu betreten, falls das Tor geöffnet werden sollte. Also macht euch keine Sorgen.“ Sie wurde sehr ernst. „Zwar hätte eine solche Intervention wiederum andere negative Folgen, aber das ist wirklich nicht das Problem von euch Menschen, sondern allein das der Königin. Für euch ist nur wichtig, dass die Dämonen so oder so bleiben werden, wo sie sind. Denn sollte es einer wagen, sich der Anordnung der Königin zu widersetzen, wird sie ihn mitsamt allen Mitgliedern seines Clans und jedem seiner möglichen Allianzpartner restlos vernichten. Spätestens nach dem ersten Exempel dieser Art überlegt es sich jeder Dämon dreizehnmal, ob er nicht besser beraten ist, zu bleiben, wo er hingehört.“
Sam hatte das so grimmig und entschlossen gesagt, dass Wayne ein Verdacht kam, den er kaum zu Ende zu denken wagte. Dass sie diese ominöse Königin der Unterwelt kannte, war offensichtlich, andernfalls sie nicht mit solcher Sicherheit hätte voraussagen können, was die tun würde. Aber könnte es sein, dass sie selbst diese Königin war? Nach dem immer noch viel zu Wenigen, was das DOC über Dämonen und ihre Hierarchie wusste, standen Sukkubi und Inkubi in deren allgemeiner Rangfolge im unteren Bereich, gehörten sozusagen zum Fußvolk. Er hatte keine Ahnung, ob es möglich war, dass ein rangmäßig niederer Sukkubus zur höchsten Stellung aufsteigen konnte. Und falls dem so wäre, dann musste Sams Macht nicht nur in magischer Hinsicht enorm sein. Letzteres traf in jedem Fall zu,
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