Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
diese nette kleine Ansprache zu halten?« Er musterte den weißhaarigen Riesen mit dem wie gemeißelt wirkenden Gesicht. »Was bist du eigentlich, Sammael? Was ist dran an den Gerüchten über deine Art?«
»Nichts natürlich«, erwiderte Sammael. »Ein paar von den Gerüchten, die ich gehört habe, könnten allerdings ein Körnchen Wahrheit enthalten. Aber das spielt keine Rolle. Wir werden die Sache im Auge behalten, Katze. Zeig dich ihrer würdig, und unsere Welt wird sich erneut verändern.«
»Ich wünschte wirklich, du würdest mir das erklären.«
»Ja, das glaube ich sofort. Gute Nacht, Tynan MacGillivray. Möge die Dunkelheit dich schützen.« Sammael neigte leicht den Kopf, drehte sich um und verschwand.
Ty überlegte kurz, ob er ihm hinterhergehen und ihn so lange verprügeln sollte, bis er mit der Wahrheit herausrückte, aber er bezweifelte, dass er damit weit kommen würde. Außerdem klang Sammaels Bemerkung, Ty würde einen Kampf mit ihm nicht überleben, durchaus überzeugend. Ty war ein Wahnsinnskämpfer, aber die Grigori waren einfach … unheimlich. Schlimmer, als er sie in Erinnerung hatte.
Verdammt. Er hatte auch so schon genug Sorgen, ohne dass er sich von so einem uralten, gruseligen Vampir irgendwelche blödsinnigen Prophezeiungen um die Ohren hauen lassen musste. Er wusste, dass es wegen Lilys Mal Ärger mit den Ptolemy geben würde, und sei es nur, weil Arsinöe es noch nie gemocht hatte, wenn anderen mehr Aufmerksamkeit zuteil wurde als ihr, noch dazu, wenn ihre Rivalinnen schöner waren als sie. Trotzdem wollte er einfach nicht glauben, dass Arsinöe nicht auf ihn hören, über seine Bitte nicht zumindest nachdenken würde.
Denn jetzt, nachdem Rogan ihm den letzten Cent aus der Tasche gezogen hatte, hatte Ty ausnahmsweise das Gefühl, die Ptolemy schuldeten ihm eine gerechte Belohnung für seine Dienste. Er wollte lediglich eins: sein Wort halten, nur dieses eine Mal. Er wollte, dass Lily wieder zurück nach Hause konnte. Es gab bestimmte Kräuter, die sie alles vergessen lassen würden, nachdem sie den Ptolemy geholfen hatte. Sie würde vergessen, dass sie jemals einen Vampir kennengelernt hatte … würde ihn, Ty, vergessen. Und das war außerordentlich wichtig, wie er genau wusste. Sie durfte sich auf keinen Fall an ihn erinnern, denn was er gespürt hatte, als sie vorhin miteinander geredet hatten, hatte bei ihm sämtliche Alarmglocken zum Klingeln gebracht.
Lily war dabei, sich in ihn zu verlieben, so unfassbar das auch nach wie vor für ihn war. Und auch wenn Sammael gesagt hatte, da sei ihm etwas in den Schoß gefallen, wusste Ty tief im Inneren, dass so etwas nicht möglich war. Er war ein Vampir der Unterschicht, ein Lügner und ein Mörder, und zu etwas anderem würde er niemals taugen. Er konnte die Vampirgesellschaft nicht einfach umkrempeln, genauso wenig wie er sich den Einschränkungen entziehen konnte, die sie Vampiren wie ihm auferlegte. Aber er konnte versuchen, Lily dort heil wieder herauszubekommen und alle ihre Erinnerungen zu löschen.
Und dann konnte er weiter den langsamen Tod leben, der ewig währte.
Ty wurde richtig elend, als er die Treppe hinaufging und sich eine Ewigkeit ohne Lily vorstellte.
Lily lief in dem kleinen Zimmer auf und ab wie ein Tiger im Käfig. Sie konnte ihre Verbitterung nur mühsam beherrschen, und ihre Sorge um Ty machte die Sache auch nicht gerade besser. Wie hatte das alles nur kommen können? Vor ein paar Tagen hatte sie noch ein angenehmes, ereignisloses Leben als Dozentin geführt, und jetzt saß sie in einem Sicheren Haus für Vampire fest, auf der Flucht vor einer ganzen Dynastie von Wesen, die sie wegsperren und nie mehr gehen lassen wollten.
Dass man sie gerade vorsätzlich von den Verhandlungen ausschloss, bei denen es um ihre Zukunft ging, war mehr als ärgerlich. Okay, Ty kannte die Regeln, die Gepflogenheiten und diese seltsamen Schattenwesen. Dennoch wäre es schön gewesen, nicht über eine Stunde in diesem kahlen kleinen Zimmer hocken zu müssen, allein mit ihren Gedanken, die sie allmählich in den Wahnsinn trieben. Selbst Jaden hatte sie im Stich gelassen und sich wortlos in sein Zimmer verkrochen. Er hatte ausgesehen, als würde ihm einiges durch den Kopf gehen, und vermutlich war dem auch so.
Ihnen allen ging einiges durch den Kopf.
Sie blieb mitten im Zimmer stehen und verbarg den Kopf in den Händen. Erst jetzt, ohne das Geräusch ihrer Schritte, hörte sie die leisen Geräusche, die aus dem angrenzenden
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