Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
Ty, der darauf gefasst gewesen war, konnte sich problemlos wegducken.
»Du kennst mich schon lange nicht mehr«, knurrte Ty. All die Qual, die ihm Lilys Entscheidung, sich für ihn zu opfern, bereitete, und all die Wut, die er auf diejenigen hatte, die sie mitgenommen hatten, verdichteten sich zu einer Blutrünstigkeit, die keine Grenzen kannte. Und Damien, der Lily und ihn gnadenlos gejagt hatte, war das perfekte Opfer.
Die beiden Vampire umkreisten sich. Damien sprang ihn an, aber Ty packte ihn am T-Shirt und schleuderte ihn mit unglaublicher Wucht gegen eine Hauswand. Dann warf er ihn zu Boden und trat abwartend einen Schritt zurück. Damien schnappte verzweifelt nach Luft.
»Steh auf. Steh auf, du Hurensohn.«
Damien wischte sich das Blut von der Lippe und kam geschmeidig auf die Beine.
»Heute Abend sind wir ja ein richtig wütendes Kätzchen, was?«
Der spöttische Ton machte Ty rasend. Er stieß einen wütenden Schrei aus und warf sich auf Damien. Dieser versuchte, sich wegzuducken, aber Ty, dessen Reflexe geschult waren von seinem langen Leben unter Vampiren, die bei seinem Anblick sofort Mordgelüste bekamen, war schneller. Er packte Damiens Haare, zog seinen Kopf nach hinten, entblößte seinen Hals und brachte ihn mit einem wohl gezielten Tritt auf die Knie hinunter. Damien ging grunzend zu Boden, und schon hatte Ty seinen Dolch gezückt.
»Bring mich nur um, wenn du dich dann besser fühlst«, knurrte Damien und sah mit funkelnden Augen zu Ty hoch. Ty bog Damiens Kopf noch weiter zurück und drückte den Dolch gegen seine Kehle. Noch immer bleckte Damien die Zähne, vor Schmerz, aber auch aus Aufsässigkeit.
»Nichts könnte mir mehr Genugtuung bereiten«, knurrte Ty zurück. »Du hast sie direkt zu uns geführt. Sie müssen dir gefolgt sein.«
»Unmöglich«, widersprach Damien. Er zuckte zusammen, als die Spitze des Dolchs so weit in seine Haut eindrang, dass ein einzelner, rot schimmernder Blutstropfen hervorquoll. »Er hätte sie nicht –«
Er brach mitten im Satz ab, aber er hatte bereits zu viel gesagt. Ty kam sofort ein böser Verdacht. Er stieß die Klinge ein bisschen tiefer in Damiens Haut hinein und grinste boshaft, als dieser leise aufstöhnte.
»Hätte sie dir nicht hinterhergeschickt? Arbeitest du für einen der Ptolemy?«
Damiens Schweigen war für Ty Antwort genug. Die bittere Wahrheit jagte ihm einen Schauder über den Rücken. Der Terror kam aus den eigenen Reihen der Ptolemy. Zwar hätten es selbst die verachtenswertesten Blaublute, die Ty kannte, für undenkbar gehalten, die eigenen Leute reihenweise zu ermorden – aber einen gab es, dem Ty solche Taten durchaus zutraute. Einen, der sich nie mit einer untergeordneten Stellung zufrieden geben würde, egal, wie weit er sich hinaufgestrampelt hatte.
Auf einmal war alles sonnenklar.
Als Ty den Mund öffnete, kam nur noch ein heiseres Flüstern heraus, und die Hand, die den Dolch hielt, zitterte vor Anstrengung, ihn Damien nicht auf der Stelle in den Hals zu jagen.
»Du blöder Hurensohn. Nero kennt keine Loyalität. Der ist nur einem treu, und zwar sich selbst. Und Vertrauen oder Geduld kennt er ebenso wenig. Hast du wirklich geglaubt, er lässt dich nicht beobachten?«
Damiens verblüfftes Gesicht sprach Bände. Ty lachte bitter auf und beugte sich weiter zu dem Shade hinunter.
»Die ganze Arbeit – umsonst. Du hast mein Leben ruiniert, ihres vermutlich beendet, und du hast nicht mal Geld dafür bekommen. Und Letzteres ist vermutlich das Einzige, was dir wirklich zu schaffen macht, du abgehalftertes Stück Scheiße!«
Damiens Atem ging stoßweise. »Jetzt stich endlich zu. Bringen wir es hinter uns.«
»Das glaube ich dir gern, dass dir das am liebsten wäre. Ist ja auch viel angenehmer als das, was deine Chefs mit dir machen werden, sobald sie herausfinden, dass du so einen Riesenauftrag versaut hast.« Trotzdem war Ty kurz davor, Damien zu geben, was er verlangte. Ein bisschen mehr Druck, und Damiens Kopf wäre sauber von seinem Körper abgetrennt. Das perfekte Ventil für seine Wut … Aber Ty war klar, dass ihn das nur kurzfristig befriedigen würde.
Ihm war deutlich bewusst, dass da ein Leben in seiner Hand lag. Schon oft hatte er Leben genommen und hinterher nichts empfunden. Dann sah er auf das Gebäude, auf die dunklen Fenster, hinter denen Rogans lebloser Körper lag.
So viele Tote. Aber Lily war noch am Leben. Und solange sie lebte, gab es für ihn die Chance, etwas wiedergutzumachen, noch einmal von vorn
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