Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
glaub mir, dann würde ich das sofort tun. Aber wie es ausschaut, wirst du wohl schauspielern müssen. Glaubst du, du kriegst das hin?«
Wenn er mich so unter seiner Fuchtel haben könnte … Lily erinnerte sich, wie unwiderstehlich sie sich von Ty an jenem ersten Abend angezogen gefühlt hatte. Sie hatte nur noch den Wunsch gehabt, sich ihm einfach in die Arme zu werfen. Vermutlich war es das, was er meinte, aber dagegen konnte sie sich wehren, auch wenn es sie – bei ihm zumindest – große Anstrengung kostete. Bei Damien dagegen hatte sie gar nicht erst etwas gespürt. Was Ty am Morgen mit ihr gemacht hatte, konnte man vermutlich schon als milde Form der Leibeigenschaft bezeichnen. Aber auch dazu hatte er ihr Einverständnis gebraucht, und es hatte sich nicht so angefühlt, als würde er ihre Gedanken kontrollieren. Trotzdem, sie musste aufpassen. Man konnte ja nie wissen.
»Wenn ich eins kann«, erwiderte Lily, »dann ist das schauspielern.« Es lag ihr vielleicht nicht im Blut, aber es hatte viele Jahre einen großen Teil ihres Lebens ausgemacht.
Sie hätte es zwar nie zugegeben, aber Ty einen Abend lang anzuhimmeln, würde ihr nicht schwerfallen. Ganz und gar nicht. Vielleicht würde sie ihn sogar ein bisschen befummeln können.
Oh je, sie hatte wirklich einen Knall. Lily zog die Schultern hoch und seufzte, was Ty offensichtlich als resignierte Zustimmung deutete. Das sollte ihr nur recht sein.
»Okay, auf geht’s«, sagte er. »Das Mabon ist in der nächsten Seitenstraße.«
»Mach dir wegen mir keine Gedanken«, erwiderte sie. »So auffällig bin ich nicht. Man wird mich gar nicht wahrnehmen.«
Ty sah sie nicht an, aber seine Stimme klang grimmig. »Oh doch. Da kannst du Gift drauf nehmen.«
9
Das Mabon lag versteckt, weil es nicht anders ging, es war billig, weil seine Stammgäste darauf bestanden, und schmuddelig, weil es das schon immer gewesen war. Es lag versteckt in einer unscheinbaren Seitengasse, und der einzige Zugang sah aus wie eine normale Haustür. Eine Treppe führte in Räume hinunter, die einst der Keller eines weitläufigen alten Gebäudes aus der Zeit der Jahrhundertwende gewesen waren. Trotz seines zwielichtigen Rufs war das Mabon immer voll, und die Vampire, die dort verkehrten, wollten entweder Blut saugen oder Ärger machen.
Und wer nicht auf der Hut war, wurde oft Opfer von beidem.
Lily war durchaus auf der Hut, als Ty und sie durch eine schwere Metalltür den höhlenartigen, schwach beleuchteten Club betraten. Ty hatte ihr gesagt, sie solle niemanden anstarren, aber es war gar nicht so leicht, sich den ersten Schock nicht anmerken zu lassen. Kein Wunder, dass er sich über die menschlichen Möchtegernvampire oben auf der Straße lustig gemacht hatte. Denn wie es aussah, kleideten sich echte Vampire ähnlich unauffällig wie Lily auch. Eigentlich gab es nur einen augenscheinlichen Unterschied zwischen ihnen und dem Rest der Menschheit: Diese Leute waren umwerfend schön.
Kaum hatten sie den Club betreten, warf man ihnen von allen Seiten neugierige Blicke zu. Direkt hinter der Eingangstür standen zwei muskulöse und einschüchternd wirkende Rausschmeißer. Einer von ihnen trug ein ärmelloses T-Shirt, und über den einen Arm zog sich eine komplizierte, wunderschöne Dynastie-Tätowierung. Er musterte Lily interessiert und nahm auch den Schal um ihren Hals sofort wahr.
»Guten Abend, du Schöne«, sagte er und lächelte sie lässig an. »Willkommen im Mabon .«
»Sie gehört mir«, knurrte Ty, um die Aufmerksamkeit des Türstehers auf sich zu lenken.
Tys Worte klangen so besitzergreifend, dass Lily rot anlief. So hatte noch nie jemand über sie gesprochen. Sie hielt den Blick stur auf Tys Gesicht gerichtet und hoffte, dass sie möglichst verliebt wirkte.
»Aha«, erwiderte der Türsteher. »Ich wette, am Ende dieses Abends tut sie das nicht mehr. Dein Mal, Fremder.«
Lily sah, wie Ty das Kinn vorschob. Seine Augen funkelten gefährlich. »Seit wann interessiert man sich im Mabon für die Abstammung? Früher waren hier alle willkommen. Hat sich das geändert?«
Der Rausschmeißer sah ihn nur durchdringend an, und da klar war, dass er nicht nachgeben würde, entblößte Ty wütend sein Mal. Der andere starrte es überrascht an – und mit mehr als nur einer Spur von Missfallen. »Solange du hier keinen Ärger machst, hat sich das nicht geändert. Anura hat gesagt, wir sollen die Male kontrollieren. Ein paar Arschlöcher mit Ankhs haben ihr vor ein paar Wochen jede
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