Erben des Blutes 01 – Dunkler Fluch
schien es wirklich zu wissen, genau wie niemand wusste, wer ihr Anführer war, wenn es denn einen gab. Jedenfalls sahen sie alle aus wie Sammael: groß, einschüchternd, gefühllos. Und alle trugen sie als Mal zwei schwarze Flügel.
»Du kanntest Lilith? Die Mutter?«
Jetzt zeichnete sich auf Sammaels Gesicht doch noch ein Gefühl ab: Ärger.
»Habe ich das nicht gerade gesagt? Hör auf, mir blöde Fragen zu stellen. Was ich dir zu sagen habe, ist wichtig.«
»Na dann, worum geht’s?« Ty musste sowohl gegen seine Müdigkeit ankämpfen als auch gegen seine wachsende Angst, der Himmel würde ihm auf den Kopf fallen, bevor er es zu Arsinöe schaffte.
»Nur dies eine, undankbare Katze. Sie ist Liliths Nachfahrin, und sie ist für Höheres bestimmt als das, was du mit ihr vorhast. Die Ptolemy werden sie umbringen, sobald sie rausfinden, wer sie ist. Die Geschichte wird sich wiederholen. Aber diesmal wird Liliths Dynastie endgültig zugrunde gehen. Sie war es wert, erhalten zu werden, auch wenn wir nicht versucht haben, das, was passiert ist, zu verhindern.«
»Um was geht es hier? Redest du von dem Tempelfeuer, das Lily immer wieder sieht? Und ihr hättet diesen ganzen Irrsinn aufhalten können?«
»Wir sind Beobachter. Uns geht das nichts an.«
»Typisch«, schnaubte Ty wütend. »Ihr Blaublute glaubt immer, euch geht das alles nichts an, bis ihr selbst unter Beschuss geratet. Und selbst dann überlasst ihr das meiste noch euren Dienern.«
Sammael sah ihn durchdringend an. »Manche denken so. Vielleicht sogar die meisten. Aber nicht alle. Auch bei uns gibt es noch so etwas wie Ehrenhaftigkeit, selbst wenn sie sich manchmal an seltsamen Stellen äußert. Lilith war anders. Diese Erbin ihrer Dynastie ist ebenfalls anders.«
Tys Kopfweh wurde noch eine Spur schlimmer, obwohl er das nicht für möglich gehalten hätte. Müde rieb er sich mit den Fingerspitzen die Schläfen. »Schau, Sammael, ich bin dir wirklich dankbar für die motivierenden Worte. Aber mit dem, was du erzählst, kann ich nicht viel anfangen. Was ist eigentlich der Sinn dieses Gesprächs? Willst du mit mir um sie kämpfen?«
Das entlockte dem riesigen Grigori doch wahrhaftig ein Lächeln, eine Reaktion, die Ty ihm gar nicht zugetraut hätte.
»Leider nein. Du wärst zwar eventuell ein ernstzunehmender Gegner, Ty aus der Dynastie der Cait, aber überleben würdest du so einen Kampf trotzdem nicht. Außerdem bin ich neugierig, was du mit dem, was dir da in den Schoß gefallen ist, tun wirst.«
»Ich werde genau das tun, wozu man mich ausgebildet hat: jagen und abliefern.« Er seufzte und rieb sich ein letztes Mal über die Schläfen. Selbst für seine eigenen Ohren klangen seine Worte herzlos und kalt. »Schau, ich weiß deine Hilfe zu schätzen, wobei … Hilfe kann man es ja nicht direkt nennen. Aber ich habe keine Wahl. Die Ptolemy sterben. Und ich bin an sie gefesselt, ob ich das nun will oder nicht. Lily ist die Schlüsselfigur, die alles wieder in Ordnung bringen kann.«
»Hm«, sagte Sammael, dessen Gesicht zu seiner alten Ausdruckslosigkeit zurückgefunden hatte. »Man kann nur hoffen, dass du noch zur Vernunft kommst, bevor es zu spät ist. Aber tu, was du nicht lassen kannst, Katze. Die Grenzen zwischen unseren Dynastien waren nicht immer so undurchlässig. Vielleicht verwischen sie bereits wieder, während ich Luft hole. Ich werde das Ganze zusammen mit meinen Brüdern und Schwestern beobachten.«
»Ja. Dass ihr das üblicherweise so macht, hast du bereits erwähnt.« Ty verlagerte das Gewicht auf die Fersen. Er wollte endlich weiter. Die Unruhe, die ihn vorwärtstrieb, würde ihn vermutlich sein ganzes Leben lang begleiten, egal wie sehr er dagegen ankämpfte.
Als der Grigori keine Anstalten machte, zur Seite zu gehen, kratzte Ty seinen letzten Rest Geduld zusammen und versuchte es zur Abwechslung mit Höflichkeit. »Nun ja. Dann also gute Nacht, Sammael. War nett, dich kennenzulernen. Ich hoffe, der Ärger, wegen dem du hier bist, wird sich bald legen.«
Wieder erschien auf Sammaels Gesicht dieses rätselhafte Lächeln. »Rogan steht auf gute Geschichten. Aber mach dir keine Sorgen. Ich bin nicht in Schwierigkeiten. Das, weshalb ich hergekommen bin, habe ich erledigt.«
Ty kam plötzlich ein schlimmer Verdacht. Würde er denn nie mehr sein als eine Schachfigur in einem Spiel, das viel Mächtigere als er kontrollierten?
»Willst du etwa sagen, du bist hierhergekommen und hast Rogan ein Lügenmärchen aufgetischt, nur um mir
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