Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
empfängliches Wesen, und ihre Verwandlung in eine Vampirin schien das noch verstärkt zu haben. »Darf ich sie mal sehen?«
»Nein.«
»Hast du sie hier im Haus gefunden?«
»Nein.«
Lily seufzte genervt auf. Sie war mit ihrer Geduld am Ende. »James Dennis Harrison«, sagte sie gereizt. »Rück jetzt endlich damit raus, wo du diese verdammte Halskette gefunden hast, sonst schnappe ich sie mir. Und glaub nicht, dass ich das nicht kann.«
Jaden zuckte zusammen, als er seinen offiziellen Namen hörte. Er bereute zutiefst, ihn ihr in einer schwachen Stunde verraten zu haben. Diesen Namen hatte er zusammen mit seinem alten Leben hinter sich gelassen. Er hatte ihn nie gemocht, hatte ihn immer langweilig gefunden.
»Ich kann mich nicht mehr erinnern, wo ich sie gefunden habe«, erwiderte er mürrisch. »Vermutlich irgendwo
am Boden
.« Als Lily eine Augenbraue hochzog, zuckte er automatisch gleich wieder zusammen, wie ein Kind, das man bei einem Streich ertappt hat. Lily klopfte mit ihren langen Fingernägeln auf die Sofalehne und wartete schweigend. Jaden schämte sich, dass er sich so schnell weich kochen ließ.
»Ach, was soll’s … Ich habe gestern Abend einer Frau aus der Klemme geholfen. Die Kette hier hat sie verloren, also habe ich sie mitgenommen. Zufrieden?«
Ihr wissendes Lächeln war fast noch schlimmer als ihr Bohren.
»Oh«, sagte sie. »
Deshalb
brütest du also vor dich hin. Dann lass dich nicht weiter stören.« Sie stand auf. Damit hatte er nun gar nicht gerechnet. Er war darauf gefasst gewesen, dass sie ihn noch ein bisschen länger ausfragen würde. So blöd ihm das auch vorkam – er wollte plötzlich gar nicht mehr in Ruhe gelassen werden.
»Was willst du damit sagen?«, fragte er verwirrt. »Könntest du mir das vielleicht noch erklären, bevor du davonrauschst? Ich weiß nämlich wirklich nicht, was daran so besonders sein soll.«
Lily verdrehte die Augen, stemmte die Hand in die Hüfte und sah ihn an wie ein genervter Teenager. »Jaden. Soweit ich weiß, hast du sonst nicht die Gewohnheit, Menschen zu helfen. Du rettest also diese Frau, sie verliert ihre Halskette, und ich finde dich hier, wie du dahockst und grübelst … glaubst du etwa, diese seltsame Stimmung kenne ich nicht?«
Er öffnete den Mund, um ihr eine schlagfertige Antwort zu geben, brachte allerdings nur ein verdrossenes »Schon, aber …« heraus.
»Ach, da seid ihr ja. Ich habe euch beide schon gesucht.«
Jaden warf einen Blick auf Ty MacGillivrays hoch aufgeschossene Gestalt und unterdrückte mühsam ein Stöhnen. Er hatte die Einsamkeit gesucht, und jetzt waren sie fast schon genügend Leute für eine Party. Falls er wirklich noch länger in Tipton bleiben sollte, musste er sich unbedingt eine eigene Wohnung besorgen.
Ty schien es dagegen zu genießen, in Gesellschaft zu sein. Seit er mit Lily zusammen war, war er lange nicht mehr so eigenbrötlerisch und humorlos wie in all den Jahren davor, in denen er immer um sein Überleben gekämpft und versucht hatte, sich für die Königin der Ptolemy so unentbehrlich wie möglich zu machen. Seine Energie war ungebrochen, aber Lily hatte ein sanfteres Wesen aus ihm gemacht. Dass Ty so humorvoll und witzig sein konnte, erstaunte Jaden immer wieder aufs Neue.
»Ich störe euch doch hoffentlich nicht bei einem geheimen Rendezvous?«, fragte er.
Lily lächelte ihn zärtlich an. »Doch, das tust du.« Sie stand auf, trat auf ihn zu und schlang ihm die Arme um die Taille. »Verschwinde, du zerstörst die Stimmung.«
Jaden beobachtete die beiden. Sie passten gut zusammen. So etwas hatte er nie gehabt, auch nichts annähernd Vergleichbares, und das nach zweihundert Jahren auf dieser Welt. Teilweise lag das natürlich daran, dass er ein Cait Sith war – weibliche Vampire rissen sich nicht gerade um Ptolemy-Sklaven –, aber teilweise lag es auch an ihm selbst. Noch nie hatte er eine Frau derart begehrt, nie eine kennengelernt, von der er nicht lassen konnte.
Bis zu jener Nacht in Rogans Haus. Aber das konnte doch unmöglich das Gleiche sein …
»Ach herrje, du bist am Grübeln«, sagte Ty, als er seine Aufmerksamkeit schließlich auf Jaden richtete. Sein melodischer schottischer Singsang und das lange gerollte R, mit dem er das letzte Wort dehnte, ließen Jaden ernsthaft erwägen, fluchtartig das Zimmer zu verlassen. Sollten Ty und Lily sich doch auf dem hässlichen Sofa lieben – oder was immer sie taten, wenn sie allein waren.
Eigentlich glaubte er ziemlich sicher zu
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