Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
entgegnete Jaden und zuckte mit den Schultern. »Genau wie wir. Und ich stimme dir zu: Ich habe auch keine Lust, einem Wolfsrudel über den Weg zu laufen. Wenn das, was Lyra gestern Nacht passiert ist, typisch ist, dann sind sie immer noch genauso hinterwäldlerisch wie eh und je. Trotzdem habe ich ein schlechtes Gefühl, wenn ich das hier einfach behalte. Ich glaube durchaus, dass sie die Tochter eines Alphatiers ist. Das schien auch der Grund zu sein, warum dieser haarige Widerling was von ihr wollte. Aber das hier ist bestimmt etwas, was ihrer Familie wichtig ist. Wenn ich mir vorstelle, dass sie vielleicht Ärger bekommt, weil sie es verloren hat, dann scheint es einfach …« Einen Moment lang starrte er mit gerunzelter Stirn auf die Halskette hinunter. »Ich weiß auch nicht. Vielleicht kann ich sie ihr schicken.«
Aber das war nicht das, was er wollte. Er wollte Lyra wiedersehen. Alles, was er über Werwölfe dachte, alles, was man ihm über sie erzählt hatte, passte einfach nicht zu der starken, selbstbewussten Schönheit, die er gegen ihren Willen gerettet hatte. Außerdem war die Erinnerung daran noch frisch, dass man ihn selbst ebenfalls zweihundert Jahre lang für einen Wilden gehalten hatte, und alles nur wegen seiner Herkunft. Werwölfe und Vampire – das war natürlich, als wolle man Äpfel mit Birnen vergleichen. Die Parallelen ließen sich trotzdem nicht leugnen. Und er konnte nicht vergessen, wie weich sich ihr Körper angefühlt hatte, in diesem einen verletzlichen Moment, als er sie beinahe schon geschmeckt hatte.
Es dauerte einen Moment, bis ihm auffiel, dass Ty ihn mit seltsamem Gesichtsausdruck ansah.
»Ist wirklich alles in Ordnung? Oder geht es da noch um etwas anderes?«
»Was sollte da sonst noch sein?«, entgegnete Jaden, ein wenig barscher, als er das sonst getan hätte. Er steckte die Kette in die Gesäßtasche seiner Jeans, in der Hoffnung, dass er sich ein bisschen besser fühlen würde, sobald er sie nicht mehr vor Augen hatte.
»Ich weiß nicht. Mir kommt es nur irgendwie komisch vor, dass dich das so mitnimmt.«
Jaden überlegte fieberhaft, was er darauf antworten sollte, und schließlich fiel ihm etwas ein, das sogar der Wahrheit entsprach. »Man hat mich ausgepeitscht, und zwar nur deshalb, weil ich ein Cait Sith bin, Ty.« Die Narben bedeckten seinen gesamten Rücken. »Diese Narben werde ich mein ganzes Leben lang haben. Ich möchte mir nicht vorstellen müssen, dass Lyra Black ähnlich oder vielleicht sogar schlimmer bestraft wird, nur weil sie etwas verloren hat, während sie auf gemeinste Art und Weise bedroht wurde. Du kannst dir doch sicher denken, wie ihr Vater reagieren wird.«
Ty verzog angewidert den Mund. Oh ja, er erinnerte sich gut. Jaden und er hatten einmal einen Alphawerwolf zur Strecke gebracht, weil Arsinöe es satt gehabt hatte, dass sein Rudel ständig in ihr Territorium eindrang. Das Leittier der Nine Trees war sowohl in seiner tierischen als auch in seiner menschlichen Gestalt eine wilde Bestie gewesen, ein sabbernder Hüne mit mehreren unglücklichen Ehefrauen und – wenn die Gerüchte stimmten – einem Hang zu Menschenfleisch. Die trüben Augen der Frauen des Rudels hatte Jaden nie mehr vergessen können.
Lyras Augen dagegen waren voller Feuer gewesen. Aber das musste nichts zu sagen haben. Sie schien insgesamt eher jemand zu sein, der sich nicht leicht unterkriegen ließ.
»Also gut«, sagte Ty und klopfte Jaden freundschaftlich auf die Schulter. »Wenn du dir solche Sorgen um sie machst, Jaden, dann liefere die Kette persönlich ab. Vermutlich wird sie dir ja ins Gesicht spucken, selbst wenn der Typ ihr zwei blaue Augen verpasst hat. Sie kann nicht raus aus ihrer Haut, genauso wenig wie ihr Rudel. Geh trotzdem. Ich sehe doch, dass du vorher keine Ruhe findest, und du bist uns keine große Hilfe, wenn du so mies drauf bist.«
Jaden sah Ty fragend an, denn ihm war die Andeutung, die in dessen Worten lag, nicht entgangen.
»Gibt es denn irgendwas, wofür ihr meine Hilfe brauchen würdet?«, fragte er.
Ty rieb sich seufzend den Nacken. »Lily muss allmählich einen richtigen Hofstaat zusammenstellen und eine gute Wachmannschaft. Sie hat das immer wieder hinausgeschoben, aber wir können das hier nicht weiter wie eine Pension betreiben. Und so sehr sie auch möchte, dass die Lilim modern und offen sind – ein paar Dinge müssen einfach geklärt werden. Nicht nur, damit man sie ernst nimmt, sondern auch, um ihre Sicherheit zu garantieren. Vlad
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