Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
in der Verfassung.
»Hi«, sagte Jaden schließlich.
Nur dieses eine Wort, mit dieser sanften, sinnlichen Stimme, und nicht einen Augenblick wandte er den Blick ab. Man hätte beinahe glauben können, er wolle sie betören, nur dass das bei ihrer Rasse nicht funktionierte, wie er sehr wohl wusste. Was also bedeuteten diese weit aufgerissenen Augen, dieser hoffnungsvolle und zugleich ein wenig verängstigte Blick?
»Lyra? Wer ist da?«, rief ihr Vater, und das brachte sie unangenehm zurück in die Realität.
»Nichts. Ich bin gleich wieder da«, rief sie zurück. Sie konnte nur hoffen, dass Simon und ihrem Vater nicht auffiel, wie seltsam ihre Stimme klang. Sie holte tief Luft, wobei ihr ein Hauch von Jadens Rasierwasser in die Nase drang. Meine Güte, roch er gut! Warum musste er bloß so gut riechen? Sie musste ihn sofort loswerden, bevor irgendetwas Schreckliches passierte. Sie hatte schon genug um die Ohren, auch ohne ihr Rudel davon abbringen zu müssen, einen verirrten Katzenvampir in Stücke zu reißen.
Sie beugte sich nahe zu ihm, um nicht so laut reden zu müssen, wünschte sich aber gleich, sie hätte das nicht getan. Die Erinnerung daran, wie er sie an sich gepresst hatte, war noch zu frisch und hatte sie dauernd verfolgt, im Schlaf, aber auch sonst, wenn ihre Gedanken ungewollt auf Wanderschaft gingen.
Sie gab sich einen Ruck. Das hier war zu wichtig, um darüber den Kopf zu verlieren. Und sie würde sich doch nicht wegen eines Vampirs lächerlich machen.
»Was willst du hier?«, zischte sie. »Hast du den Verstand verloren? Die anderen Wölfe bringen dich um, sobald sie dich riechen.«
Kaum zu glauben, aber Jaden zuckte nur mit den Schultern. »Ich kann schon auf mich aufpassen. Ich wollte dir was bringen.«
Er zog eine Scheibe an einer langen Kette aus der Tasche, die Lyra sofort wiedererkannte. Sie schnappte nach Luft, weil sie ihr Glück kaum fassen konnte. Ihr Vater hatte vor lauter Aufregung noch gar nicht bemerkt, dass sie die Kette nicht mehr trug. Jetzt brauchte er gar nicht erst zu erfahren, dass sie sie verloren hatte. Und das alles nur, weil Jaden beschlossen hatte, sie ihr zurückzubringen.
Trotz des weiten Wegs.
Jaden runzelte die Stirn, als er ihr die Kette hinhielt, und sah sie verständnislos an.
»Du bist extra gekommen, um mir die Kette zurückzubringen?«, fragte sie. »Wieso?« Die Sache musste einen Haken haben. Nur dass sie sich überhaupt nicht vorstellen konnte, was ein Vampir von ihr wollen könnte, außer sie beleidigen. Lyra war irgendwie aus dem Konzept gebracht, genau wie in der Nacht, als Jaden sie vor Mark gerettet hatte. Warum er das getan hatte, überstieg ebenfalls ihren Horizont – abgesehen mal davon, dass es ihm vermutlich Spaß gemacht hatte, sie auf die Palme zu bringen.
Es sei denn, Jaden wäre einfach irgendwie … nett. Aber diese Möglichkeit wollte sie lieber gar nicht erst in Erwägung ziehen. Außerdem wusste man bei Vampiren sowieso nie, woran man war.
»Sie schien dir wichtig zu sein«, erwiderte Jaden leise und warf rasch einen Blick über ihre Schulter. Lyra fiel auf, dass ihr Vater und Simon verdächtig still waren. Sie wusste, es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie ebenfalls zur Tür kamen. Das durfte nicht passieren.
»Jedenfalls hast du versucht, sie zu schützen, als dieser Typ – Mark, nicht wahr? – sie dir vom Hals gerissen hat. Also dachte ich mir, bringe ich sie ihr lieber zurück.«
Sie hätte seinen in beruhigendem, melodiösem britischen Dialekt gesprochenen Worten gern geglaubt. Aber sie war zu sehr daran gewöhnt, gebissen zu werden – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn –, sobald sie nicht auf der Hut war.
»So einfach ist das nicht, und das weißt du genau«, sagte Lyra. Auch sie sprach leise, obwohl sie das Gefühl hatte, dass das auch nicht viel brachte. Wölfe konnten außerordentlich gut hören. Rasch griff sie nach der Halskette und spürte erleichtert, wie sich die Metallscheibe an ihre Handfläche schmiegte. Ihr fiel auf, dass Jaden ihre warme Hand mit seinen kalten Fingern ein wenig länger berührte, als notwendig gewesen wäre. Aber wie alles andere an diesem Vampir fand sie auch das unwiderstehlich.
»Wie hast du mich überhaupt gefunden?«, flüsterte sie. »Was willst du, Jaden?«
Zu ihrer Überraschung schien er nicht recht zu wissen, was er antworten sollte.
»Ich –«
Ein tierischer Knurrlaut schnitt ihm das Wort ab, und schon dröhnte die Stimme ihres Vaters durch den Flur.
»Was zum
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