Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
aber man braucht ein … sagen wir … diplomatisches Händchen … das vielen von uns abgeht, und –«
»Ich soll schon wieder einen von diesen Irren vergraulen, die an Werwölfe glauben.«
Gerrys erleichtertes Lächeln reichte als Bestätigung. Lyra stöhnte auf. Das war nur minimal besser als Jadens Spielart der Folter. Silver Falls war von der Außenwelt abgeschnitten und das Rudel in der Regel recht diszipliniert, aber der gleiche Instinkt, der Menschen normalerweise warnte und abschreckte, hierherzukommen, zog manchmal spezielle Gesellen regelrecht an. Diese Typen kamen dann an, bewaffnet mit Büchern über übersinnliche Phänomene und Videokameras, und sie trieben sich nach Einbruch der Dunkelheit in den Wäldern herum in dem Irrglauben, sie könnten jemanden ertappen, der gerade irgendetwas Paranormales trieb.
Eine Pest, die man jedoch nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte. Denn wenn auch nur der Hauch eines echten Beweises nach außen drang, könnten sie sich vor solchen Jägern bald nicht mehr retten. Bis jetzt waren Gott sei Dank nur selten wilde Gerüchte in Umlauf gekommen. Aber auf diese Art von Ärger konnten sie gut und gern verzichten.
Diese übermäßig Neugierigen zu vertreiben, darauf war keiner scharf. Unglücklicherweise hatte sich Lyra schon einmal breitschlagen lassen, und sie hatte dafür auch Talent. Es gab grundsätzlich zwei Wege, die Sache anzugehen: ihnen Honig ums Maul schmieren oder sie dermaßen einschüchtern, dass sie an den Rand eines Nervenzusammenbruchs gerieten.
Sie hatte beide Methoden drauf.
»Ich weiß, dass ihm jemand das Lost Dog Café empfohlen hat. Da würde ich als Erstes nach ihm suchen … wo sollte er auch sonst rumhocken und alle misstrauisch anglotzen?«
Lyra seufzte. »Wie sieht er denn aus?«
Gerry gluckste. »Als Hut trägt er einen schwarzen weichen Lederhut, dazu ein T-Shirt mit der Aufschrift ›Übernatürlich‹. Sehr unauffällig.«
»Ha. Hervorragend, noch so ein Indiana Jones der Nacht. Ich kümmere mich um ihn. Aber nur, weil ich dich mag.«
»Ich mag dich auch, Süße. Du hast was gut bei mir.«
»Mhmm. Ich schreib’s mit dazu. Du hast so viele Schulden bei mir, dass du bis zum Jüngsten Gericht nicht alles zurückzahlen kannst.«
Gerry schlenderte seines Wegs, und Lyra blickte ihm widerwillig lächelnd nach. Im Grunde genommen war sie froh, eine Ausrede zu haben, um sich die Nacht freizunehmen, auch wenn sie nicht richtig freihatte. Ihr Vater konnte Jaden ja die Zeit vertreiben. Oder er könnte abschwirren nach … na, wo er eben hinging, wenn er was zu essen brauchte. Er hatte nichts darüber gesagt, und sie hatte nicht gefragt. Aber bei der Vorstellung, wie er ein hübsches junges Ding in den Fingern hatte und seine Zähne in ihren Hals schlug, verging ihr das Lächeln. Ja, vielleicht sollte ihm ihr Vater die Zeit vertreiben.
Leise fluchend öffnete Lyra die Autotür und setzte die Füße auf den Boden. Sie fühlte sich in etwa so mies, wie sie erwartet hatte. Eine richtige Verletzung wäre längst verheilt, aber diese Schmerzen würde sie erst loswerden, wenn sie sich einmal eine ganze Nacht lang erholen konnte. Aber verflucht wollte sie sein, wenn Jaden sie wie ein altes Weib herumhumpeln sehen würde. Lieber die Zähne zusammenbeißen.
Sie verzog das Gesicht und jammerte vor sich hin, dass so was nun ihr freier Abend sein sollte, aber schließlich richtete sie sich auf, sperrte den Wagen ab und stolzierte steif auf die Einkaufspassage zu.
13
Jaden fuhr seine Corvette auf den kleinen Parkplatz hinter der Geschäftszeile, in der auch das Lost Dog Café lag, nicht ohne leise über schwierige Frauen und deren nachsichtige Väter vor sich hinzuschimpfen.
Schon beim Aufwachen hatte er sich über einen weiteren Abend voll Lyras ungeteilter Aufmerksamkeit gefreut. Er gestand es sich nur ungern ein, aber das war für ihn eine der schönsten Seiten des Trainings mir ihr. Der Unterricht hatte mehrere erfreuliche Aspekte: Sie war eine gelehrige Schülerin, hatte eine rasche Auffassungsgabe und war unglaublich begabt. Trotzdem gefiel ihm am besten, dass er sie für sich ganz allein hatte. Für einen Vampir seines Alters und seiner Erfahrung mit Frauen ein trauriges Fazit.
Noch trauriger war, wie unglücklich er sich gefühlt hatte, als ihm Dorien, der es sich mit einem Bier und einem zerfledderten Taschenbuch in der Küche bequem gemacht hatte, eröffnete, Lyra sei geschäftlich in Rudelangelegenheiten die ganze Nacht
Weitere Kostenlose Bücher