Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
nach neulich Abend war Eric bestimmt kein großer Fan mehr von diesem speziellen Vampir.
»Du verbringst doch allerhand Zeit mit ihm. Ich selbst hatte noch nie Gelegenheit, Nettigkeiten mit einem Vampir auszutauschen. Wie schätzt du das Ganze ein?«
Vor Freude lief Lyra rot an. Sie kannte Gerry schon eine Ewigkeit, und ihn interessierte immer, was sie dachte. Aber dass er sie in einer so wichtigen Angelegenheit nach ihrer Meinung fragte, nachdem Eric, der mutmaßliche Thronfolger, bereits sein Urteil gefällt hatte, das freute sie besonders.
»Ich hielte es für eine gute Idee, wenn wir uns daran ein Beispiel nehmen würden«, antwortete sie bedächtig. Das war ihr tatsächlich schon durch den Kopf gegangen. Auch wenn Jaden ihr nicht ernsthaft einen Gegenbesuch bei seiner Dynastie angeboten hatte, hielt sie es keineswegs für ausgeschlossen, dass Lily auf so einen Vorschlag eingehen könnte. Vor allem, weil Lily bis vor Kurzem noch ein Mensch gewesen und von den früheren Zwistigkeiten zwischen Vampiren und Wölfen unbelastet war.
Es könnte klappen. Und für alle Wölfe wie sie selbst oder Simon, die so gern ihren Horizont außerhalb des Wolf-Territoriums erweitern würden, könnte sich das als Gottesgeschenk erweisen.
»Es müsste natürlich die richtige Dynastie sein«, fuhr Lyra fort. »Jadens Dynastie ist noch sehr jung, da könnten unsere Erfolgsaussichten am größten sein. Zwischen uns hat es noch keine Konflikte gegeben. Sie bauen etwas Neues auf, und wir könnten uns daran beteiligen.« Als sie Gerrys Gesicht sah, musste sie lachen. »Vermutlich sieht Eric das komplett anders.«
»Du kennst doch deinen Vetter. Tradition und Wahrung der Rudelgesetze. Er sagt, es sei ihm schleierhaft, was sie von uns wollen, und dass der Preis, den wir bezahlen müssen, zu hoch sein könnte. Das ist auch meine Sorge. Wir haben uns mit allen bekriegt, deshalb sind wir meines Erachtens von Haus aus im Nachteil, aber …« Er versank in Gedanken und zuckte schließlich mit den Schultern. »Warten wir ab, wer sich von euch beiden am Ende durchsetzt. Wer es auch ist, Dorien wird in jedem Fall ein offenes Ohr haben.«
Das damit verbundene Kompliment rührte Lyra. Ein Teil von ihr wäre am liebsten aus dem Auto gesprungen und ihm um den Hals gefallen, einfach deshalb, weil er von ihr als gleichberechtigter Kandidatin mit Siegeschancen gesprochen hatte. Das war ihr noch nie passiert. Und ihr wurde erst jetzt bewusst, wie viel ihr etwas so Einfaches bedeutete.
»Mein Vater ist ein kluger Kopf und ein guter Anführer«, sagte sie. »Er hört bestimmt zu.«
Gerry grinste und stupste mit dem Finger gegen ihre Nasenspitze. Diese Geste der Zuneigung erinnerte sie an die Zeit, als sie fünf Jahre alt und noch richtig begeisterungsfähig gewesen war. Das Herz wurde ihr schwer bei dem Gedanken, wie angenehm und leicht ihr Leben damals gewesen war.
»Du hast viel von ihm geerbt. Das habe ich schon immer gesagt. Nur Dorien Blacks Tochter bringt einen Vampir dazu, ihr aus der Hand zu fressen.«
»Äh, also, ich …«
»Geh einkaufen, Süße. Bis später.«
Verlegen wegen Gerrys Einschätzung der Beziehung zwischen ihr und Jaden brachte Lyra nur ein leises, gekünsteltes Lachen zustande. War das wirklich das, was die Leute sahen? Vielleicht schien Jaden in der Öffentlichkeit ihr gegenüber respektvoll. Sie hatte keine Ahnung. Vielleicht war es auch nur immer zu finster, als dass die Leute hätten sehen können, wie er ihr immer Grimassen schnitt.
»Bis dann«, murmelte sie und fragte sich nun ernsthaft, was die anderen Rudelmitglieder bei den seltenen Gelegenheiten, in denen sie und Jaden in Gesellschaft anderer Wölfe auftauchten, sahen. Entging ihr etwas?
Gerry machte sich auf den Weg, und sie dachte schon, sie müsste gleich ihr schmerzendes Gestell aus dem Auto hieven, da blieb er in einigen Metern Entfernung plötzlich stehen und drehte sich um.
»He, du musst mir einen Gefallen tun, falls du dich dafür fit genug fühlst. Und falls du eine Entschuldigung brauchst, dich heute Abend abzuseilen.«
»Aber immer«, antwortete sie rasch. Eine richtige Aufgabe wäre sehr viel besser als einfach zugeben zu müssen, dass ihre Muskeln eine Nacht frei brauchten. Sie wollte unbedingt mit Jaden mithalten. Schlimmstenfalls würde sie das Training mit ihm das Leben kosten, aber da der Erschöpfungstod schon quasi vor der Tür stand, hatte sie nicht mehr allzu viel Angst davor.
»Nicht, dass es für dich sonderlich anstrengend wäre,
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