Erben des Blutes: Verborgene Träume (German Edition)
erwiderte sie und starrte in den Nachthimmel hinauf. »Ich weiß nicht, was in ihn gefahren ist, aber als ich gehört habe, dass er mit dir in die Kneipe wollte, wusste ich, was im Busch war. Es tut mir leid. Er meint es gut, aber die Umsetzung ist nicht immer die beste.« Sie seufzte. »Aber vielleicht ist es auch ganz gut so. Vermutlich ist es glaubwürdiger, wenn nicht ich diejenige bin, die es dir stammelnd beibringt.«
»Du bereust es also«, sagte er leise. Dass sie nichts erwiderte, sich ihre Wangen aber rosa färbten, war Antwort genug, auch wenn das, was sie schließlich sagte, nicht ganz so eindeutig war.
»Die Antwort darauf ist wesentlich komplizierter, als du je verstehen könntest.«
»Versuch es doch einfach mal«, entgegnete Jaden, aber sie schüttelte den Kopf.
»Ich möchte einfach zu dem zurückkehren, was wir eigentlich vorhatten«, fuhr sie fort. »Was passiert ist, das ist … alles zu viel. Ich dachte, ich könnte dieses ganze ›im Moment leben‹, von dem du geredet hast, hinkriegen, aber ich kann es nicht. Dafür bin ich einfach nicht gemacht.«
Das konnte er gut verstehen. Und er konnte es respektieren. Auch wenn es ihm ganz und gar nicht gefiel.
»Dann versprich mir aber bitte wenigstens eins, okay? Ich hatte das Gefühl, dass wir so allmählich Freunde wurden, bevor … na ja,
davor
. Ich wäre froh, wenn wir wenigstens das bleiben könnten.«
Lyra lächelte, aber es war ein trauriges und wehmütiges Lächeln. »Das wünsche ich mir auch«, erwiderte sie. »Abgemacht.«
Sie gaben sich die Hand, aber selbst jetzt spürte Jaden, wie der Funke übersprang, sobald sie sich berührten. Er verstand nicht, wie das kam, aber nichts würde ihm jemals den Wunsch austreiben können, es weiter zu erforschen. Und obwohl sich Lyra schnell zusammenriss, sah er am Aufleuchten ihrer Augen, dass es ihr genauso ging.
Auch wenn sie abstreiten wollte – und musste –, dass es so etwas gab.
18
Es gab nicht viel, womit Jaden seine guten Vorsätze hätte unter Beweis stellen können. Er wollte, dass sich Lyra in seiner Gegenwart wieder wohlfühlte, und er wollte eine ausgeglichene Basis schaffen, um das, was zwischen ihnen zerbrochen war, wieder zu kitten. Eine ganze Woche lang hatte er jeden nur denkbaren Trick seines begrenzten Repertoires versucht, um die Dinge wieder ins Lot zu bringen, von Charme über Humor bis hin zu dem Versuch, Lyra einfach selbst die Grenzen ihrer getrübten Beziehung abstecken zu lassen.
Nun war er mit seinem Latein am Ende und fuhr sein letztes Geschütz auf.
Er kochte.
Wohlriechender Dampf stieg von der Suppe auf, die er komponiert hatte. Er rührte sie um und gab gelegentlich noch ein bisschen Salz oder das ein oder andere Gewürz hinzu. Auf einem Schneidebrett auf der Küchenarbeitsplatte lagen die Schalen von Karotten, Kartoffeln, Knoblauch, Sellerie und einigen Zwiebeln. Daneben stand ein Glas mit B-positivem Blut, das er am Abend zuvor aus dem Bezirkskrankenhaus hatte mitgehen lassen. Der Rest des Transfusionsbeutels war unauffällig – so hoffte er jedenfalls – hinter Doriens Biervorrat im Kühlschrank in der Garage versteckt. Jaden trank einen Schluck, stellte das Glas ab und probierte dann die Suppe aus dem Schöpflöffel, den er in den Suppentopf getaucht hatte.
Was er da zusammengekocht hatte, war vielleicht nicht so befriedigend wie das B-positiv, und rein technisch gesehen brauchte er auch gar keine richtige Nahrung mehr. Aber Jaden wusste, er würde sich immer an den kulinarischen Genüssen erfreuen, mit denen er aufgewachsen war. Seine Mutter hatte oft etwas Ähnliches gekocht, als er noch ein Kind war. Er hoffte, dass die Suppe Lyra – und auch ihm – guttun würde.
»Hi, ich bin schnell mal weg, ein paar Burger holen. Brauchst du …? Oh. Du kochst?«
Lyra.
Sobald sie den Raum betrat, war es, als würde jemand ein Licht in ihm anknipsen. Jaden hörte auf zu rühren und genoss das prickelnde Gefühl, das ihn von Kopf bis Fuß durchflutete. Das war zwar nicht die Rückkehr zur Normalität, auf die er gehofft hatte, aber er schien dieses Gefühl zu brauchen wie die Luft zum Atmen.
Sie stand unter dem Bogen, durch den man die Küche betrat, und betrachtete die herumliegenden Überbleibsel seiner aufwendigen Suppenkomposition. Er genoss ihren Anblick, als wäre es Jahre her – nicht Stunden –, seit er sie zuletzt gesehen hatte. Sie sah so schön aus wie immer, nur dass jetzt wieder die gleiche Wachsamkeit in ihrem Blick lag wie am Anfang ihrer
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