Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
gewesen wäre, hätte sie der Versuchung nachgegeben und ihre Mutter nach ihnen gefragt. »Meine Probleme lassen sich nicht mit Geld lösen, Madeleine, und davon ganz abgesehen, habe ich jede Menge auf der Bank.« Plötzlich kam ihr eine Idee. »Hast du mir etwa Geld aufs Konto überwiesen? Steckst du hinter Langlane Holdings …?«
»Langlane Holdings?« Madeleine schüttelte ratlos den Kopf. »Nein. Wer soll das sein?«
»Ist egal.« Rachel stieg aus. Bevor sie die Tür zuschlug, beugte sie sich noch einmal zu Madeleine: »Ohne dich hätte ich es nie geschafft. Danke.« Sie senkte die Stimme und sagte freundlich: »Versuch mich zu vergessen, Madeleine. Ohne diese Nacht wäre es etwas anderes gewesen. Wenn es dir hilft, ich habe dir verziehen. Ich meine das aufrichtig. Aber jetzt müssen wir uns Adieu sagen.« Sie zögerte noch einen Augenblick. »Bitte, fahr los und schau dich nicht noch einmal um.«
Sie eilte durch das Gartentor zur Haustür. Sie wollte sich nicht umdrehen, tat es dann aber doch. Madeleines Auto stand noch da, und ihr schönes Gesicht war von Gram gezeichnet. Einst hatte sie der Anblick dieser Züge mit Wut erfüllt, nun fühlte sie nur noch Schmerz.
Sie steckte den Schlüssel ins Schloss und dachte nicht länger an die Frau im Auto. Es gab schlimmere Menschen, über die sie sich Sorgen machen musste. Sie würde noch heute die Schlösser auswechseln lassen. Als Allererstes.
21. Kapitel
M adeleine schreckte aus dem Schlaf hoch. Es war pechschwarze Nacht. Ein schrecklicher Schlag traf ihr Ohr, und das Zimmer wurde in kaltes blaues Licht getaucht. Es donnerte. Das Unwetter hatte erneut eingesetzt. Anscheinend war jedes bedeutende Ereignis in ihrem Leben von einem Aufruhr der Elemente begleitet: ihre eigene Geburt, die ihrer Tochter, der Tod ihres Mannes und nun das Verbrennen des Liebhabers ihrer Tochter.
Sie sah auf den Wecker. Es war kurz nach vier. Vor vierundzwanzig Stunden hatten sie das öde Moorland verlassen, auf dessen Höhen sie einen menschlichen Leichnam verbrannt hatte, als wäre er nichts weiter als ein störender Sack Müll. Nur böse Menschen, gewissenlose Menschen, begingen ein solches Verbrechen. Sie hatte nicht mit der Wimper gezuckt. Genau wie Edmund hatte sie den Abschaum beseitigt. Nach dem ersten Schock über den mit Blut gefüllten Krater, der einmal ein Gesicht gewesen war, hatte sie noch nicht einmal Übelkeit empfunden. Sie hatte Edmunds Rat befolgt und war mechanisch vorgegangen und hatte alles einfach so gut erledigt, wie sie konnte.
Sie verließ das Bett. Nur mit Slip und einem T-Shirt bekleidet, ging sie barfuß in die Küche, um sich Kaffee zu kochen. Sie nahm den Becher mit ins Wohnzimmer und setzte sich vor ihr Bild. Es beherrschte den Raum: eine Frau, die bei lebendigem Leibe aufgefressen, zu Tode gefoltert wurde. Es war ein grausiges Bild, aber sie mochte es. Es hatte etwas Läuterndes, besonders in ihrer gegenwärtigen Lage.
Der Wind war abgeflaut. Da vernahm sie in der plötzlichen Stille einen schrillen Schrei. Ein zweiter folgte. Sie klangen wie aus einer anderen Welt, wie der Kehle des Teufels entsprungen. Ob es der Fuchs gewesen war? Etwas weiter die Straße hinauf, in dem Gebüsch, gab es doch den Bau. Ja, natürlich, es musste der Fuchs gewesen sein. Madeleine schauderte vor Unbehagen. Es wäre nur allzu leicht, jetzt den Verstand zu verlieren. Wie würde sie die Geister ihrer Tat nur je bannen? Rational hatte sie sich bereits mit den Geschehnissen auseinandergesetzt, aber die Bilder, die sie verfolgten … Wenn sie nur jemandem ihr Herz ausschütten könnte!
Sie wusste, mit wem sie reden konnte und was ihr helfen würde, aber sie hatte sich geschworen, es nie mehr zu tun. – Warum eigentlich?
Das Gesicht in den Händen vergraben, suchte sie nach der wahren Antwort. Warum verleugnete sie ihr Erbe, ihren wahren Glauben? »Ich bin eine britische Psychotherapeutin.« Der lächerliche Spruch, den sie sich vorgebetet und mit dem sie sich der Weisheit und Leitung beraubt hatte, die früher zu jeder Zeit in ihrer Reichweite gewesen waren, galt nicht länger. Diese Gewissheit wurde immer stärker in ihr. Von jetzt an war sie keine britische Psychotherapeutin mehr. Sie konnte also glauben, was sie wollte. Madeleine lächelte. Ihre Ahnen riefen sie und erinnerten sie daran, dass das Blut der Yoruba in ihren Adern floss.
Sie erhob sich, ging in die Diele, schaltete das Licht im Wandschrank unter der Treppe an und kroch in seine hinterste Ecke. Dort
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