Erbschuld: Psychothriller (German Edition)
dass wir der Wahrheit zu nahe kamen, hast du einen Rückzieher gemacht und die Therapie abgebrochen.« Sie sah Rachel an. »Ich hätte deinen Zorn, deinen ehrlichen Zorn, angenommen. Ich weiß, dass ich entsetzliche Fehler begangen habe, aber ich bin dennoch deine Mutter. In meinem Herzen bin ich es stets gewesen. Nie hat mich dieses Bewusstsein verlassen, keinen einzigen Tag.«
»Ach bitte«, stöhnte Rachel. »Haben wir heute Nacht nicht genug Aufregung gehabt?«
Madeleine ließ den Motor an und fuhr weiter. Sie näherten sich Bath vom Süden her. Es war kurz vor sieben, und der Berufsverkehr hatte eingesetzt. Der Regen hatte etwas nachgelassen, aber am Himmel ballten sich noch immer schwarze Wolken.
Als sie den Hügel hinauf in Richtung Fairfield fuhren, bat Rachel, sie am Anfang ihrer Straße aussteigen zu lassen.
»Nein«, entgegnete Madeleine. »Du solltest dich einmal sehen. Man würde dich wegen Stadtstreicherei verhaften. Ich bringe dich bis an die Haustür. Und du musst als Allererstes diese Kleidung loswerden. Wegen Antons DNA. Und putze gründlich die Garage.«
Rachel kicherte sarkastisch. »Ja, Mutter.«
Fünf Minuten später erreichten sie Rachels Haus. Der alte Tom saß bereits am Fenster und beobachtete, wie sie den Wagen parkten.
»Das wär’s dann, Madeleine«, sagte Rachel und legte die Hand auf den Türgriff. »Wir haben unser Geschäft abgewickelt. Nun sind wir quitt.«
»Nein, so sehe ich das nicht.«
»Nach dem, was wir gerade zusammen getan haben?« Rachel schüttelte vehement den Kopf. »Das bringt nichts, tut mir leid.« Rachel öffnete die Autotür.
»Einen Moment. Ich weiß, es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, aber ich will mit dir reden. Ich will dir einiges erklären. Das schuldest du mir.«
Rachel schloss wieder die Tür. »Es ist keine gute Idee. Denk darüber nach. Es gibt da diesen Toten zwischen uns.«
Madeleine sah plötzlich kummervoll aus, sagte aber nichts. Sie suchte in ihrer Handtasche und reichte Rachel einen gefütterten Umschlag. »Saschas Pass.«
Rachel nahm ihn entgegen.
»Komm ja nicht wieder hierher«, drohte sie mit harter Stimme.
»Ich will dich nicht wiedersehen. Und ich will auch nicht, dass du Sascha verfolgst oder dergleichen Mist machst.« Sie öffnete erneut die Wagentür, zögerte aber, weil sie ihre herben Worte bedauerte. »Weißt du, Madeleine, mit dir Kontakt zu haben ist für mich und Sascha gefährlich. Und wahrscheinlich gilt das auch umgekehrt.«
Madeleine hielt sie mit der Hand zurück. »In Ordnung, Rachel. In diesem Punkt magst du recht haben. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt. Aber ich denke daran, Bath zu verlassen, und ich bin der Meinung, du und Sascha, ihr solltet mit mir kommen. Wo ich hin will, seid ihr in Sicherheit.«
Rachel schüttelte den Kopf. »Das ist keine gute Idee. Wenn wir Bath verlassen, hat Uri umso mehr Grund, die Wahrheit zu vermuten. Er würde uns verfolgen, ich weiß, dass er das tun würde. Und wenn die Polizei Antons Reste findet, kann es sein, dass auch sie hinter mir her ist. Du siehst also, ich muss hierbleiben und so tun, als wüsste ich nichts von Anton. Für dich hingegen ist es ein guter Plan, Bath zu verlassen – in Anbetracht der Umstände.«
Madeleines Miene war finster. »Ich glaube nicht, dass ich es ertragen könnte, hier zu wohnen und zu wissen, dass du und Sascha so nah und dennoch so fern seid. Wenn du dir absolut sicher bist, dass du nichts mit mir zu tun haben willst, dann ist es am besten, wenn ich gehe. Wir müssen beide über diese Sache hinwegkommen und unser Leben fortsetzen.«
Rachel schnaubte wütend. »Unser Leben fortsetzen!« Sollte die gute alte Madeleine doch losgondeln und Bath mitsamt seinen Problemen hinter sich lassen. »Wo willst du denn hin?«
»Zurück nach Florida. Wo ich herkomme. Ich hinterlege dir meine Adresse bei meinem Partner John in der Praxis. Vielleicht brauchst du meine Hilfe oder willst doch noch mitkommen.«
»Nein!«
»Denk an Sascha. Warum versperrst du ihm alle Möglichkeiten? Besonders angesichts der Tatsache, dass meine Hilfe seine Zukunft ganz entscheidend beeinflussen könnte? Wenn mein Vater stirbt, erbe ich eine Menge Geld. Es kann sein, dass du selbst nichts von mir annehmen willst, aber du solltest auch an Sascha denken.«
Rachel zuckte mit den Schultern, aber etwas erstaunt war sie doch. Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass es außer ihr noch andere Menschen gab, mit denen Madeleine verwandt war. Wenn sie nicht so völlig am Ende
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