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Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Erbschuld: Psychothriller (German Edition)

Titel: Erbschuld: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kitty Sewell
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eine Seite des Lebens kennengelernt, die ihr gänzlich fremd gewesen war. Ja, Madeleine hatte auf jeden Fall durch die Sitzungen mit ihr einiges dazugelernt.
    Sie lenkte ihre Schritte den Fluss entlang, über die Poulteney Bridge und dann links durch die Henrietta Street, die einen anmutigen Halbmond aus georgianischen Häusern bildete, an die sich ein Park schmiegte, den sie noch aus ihrer Jugend kannte.
***
    Wie jeden Morgen, machten sie ihre Runde durch den Henrietta Park. Nicht größer als ein Straßenzug, beherbergte er einige der ältesten Bäume der Stadt, die in der Sommerhitze kühlen Schatten spendeten. Doch heute sahen die mächtigen kahlen Platanen wie Skelette aus, und Tau bedeckte das Gras wie eine kalte, silbrige Decke.
    Rosaria schob den Kinderwagen, Madeleine trottete hinterher. Obwohl sie dünn wie eine Bohnenstange war, fühlte sich ihr Körper unerträglich schwer an, und ihre Beine schienen aus Blei zu sein. Ihre Mutter hingegen wirkte wie neugeboren. Von hinten sah sie aus wie ein junges Mädchen: Das schwarze, offene Haar wallte bis zur Taille hinab, und ihr Gang war federnd, geradezu hüpfend. Ihre Abhängigkeit von Madeleine war verschwunden, verdrängt von den Freuden stellvertretender Mutterschaft. Sie sang trillernd ein Liedchen, und das Kind antwortete ihr glucksend.
    Madeleine war wie betäubt. Ihr Arzt hatte bei ihr eine postnatale Depression diagnostiziert, und es gab keinerlei Anzeichen einer Besserung. Im Wochenbett, das nun neun Monate zurücklag, hatte sie sich eine Infektion zugezogen, an der Frauen in der Zeit vor Erfindung des Penicillins in Scharen starben. Rosaria hatte sie überredet, das Baby zu Hause zu entbinden, und der Arzt hatte keinen Einspruch erhoben. Aber als die Infektion auftrat, führte er sie sofort auf die Hausgeburt zurück und wies jede Verantwortung von sich. Man hatte Madeleine ins Krankenhaus gebracht. Sie blieb dort drei Wochen, während ihre Mutter nichts Eiligeres zu tun hatte, als von dem Baby Besitz zu ergreifen. Zum krönenden Abschluss teilte man ihr mit, dass sie vermutlich keine Kinder mehr bekäme.
    Sie schlurfte hinter Mama und dem Baby her. Anfangs wollte sie nicht das Haus verlassen, weil sie sich fürchtete, ihre ehemaligen Klassenkameraden auf dem Weg zur Schule zu treffen. Aber wer waren sie denn, diese jungen Leute mit ihren Schuluniformen und ihrem zielstrebigen Gang? Inzwischen lag ihr an niemandem mehr auch nur das Geringste. Ihr Herz war nicht länger hier, sie hasste diesen Ort. Bath war zwar eine wunderschöne Stadt mit seinen goldgelben Steinfassaden, von denen manche mit einer jahrhundertealten Rußschicht überzogen waren, doch hätte sie alles darum gegeben, nur ein einziges Haus aus sonnengebleichtem Holz mit türkisfarbenen Fensterläden zu sehen, eine Veranda mit filigranem Schnitzwerk, einen die Passanten ankreischenden Papagei und ein im blendend hellen Licht schimmerndes Blechdach. Oder etwas so Alltägliches wie einen Hahn, der eine Henne über die Straße jagte, oder einen Gecko, der die Wand hinaufflitzte. Die Platanen und Kastanien von Bath waren majestätisch, aber sie waren nichts gegen die Weißgummibäume mit ihrer roten Rinde, die Jakarandas und Banianbäume oder die grünen Fontänen der Kokosnuss- und Dattelpalmen.
    »Wartet mal, ihr beiden«, rief sie.
    Ihre Mutter blieb stehen und drehte sich um. »Beeil dich, Magdalena. Du schleichst so langsam wie eine alte Frau.« Sie löste die Sicherheitsgurte des Buggys und nahm das kleine Mädchen auf den Arm. – »Quieto chiquilla. Wir müssen auf deine Schwester warten.«
    Schwester. Das war sie nun. Sie hatte protestiert, aber Mama hatte darauf bestanden. Ihre eigene Stärke und die Kräfte, über die sie als Santera verfügte, machten sie zur Furcht einflößenden Gegnerin. Madeleine hingegen fühlte, wie ihre eigene Kraft immer mehr versiegte. Sie war sich sicher, dass Mama das nicht absichtlich tat, sie liebte Madeleine … Aber die Kleine liebte sie mehr, das war offensichtlich.
    Papa Neville erwartete sie in dem georgianischen Steinhaufen, den er, ohne seine Familie zu fragen, aus einer Laune heraus gekauft hatte. Er tauchte immer seltener bei ihnen in Bath auf.
    Madeleine warf sich ihm in die Arme.
    »He, kleines Mädchen«, sagte er verblüfft. Sie umarmten sich nicht mehr oft. Er hatte sich im Laufe der Jahre von ihnen zurückgezogen und war mehr an seiner Kunst als an seiner Familie interessiert.
    »Papa, können wir nicht für einen Urlaub nach Hause

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