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Erdbeerkönigin

Erdbeerkönigin

Titel: Erdbeerkönigin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silke Schütze
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aber das betrete ich höchstens an einem regnerischen Markttag – wenn überhaupt. Dabei hoffe ich, dass mich möglichst niemand sieht. In Cafés herumsitzen – das tut man bei uns erst ab sechzig. Und auch dann nur höchst selten.
    Hier jedoch geht es zu wie im Taubenschlag. Das nette Mädchen hinter dem Tresen verkauft jede Menge Becher zum Mitnehmen. Schnell lerne ich, dass der Kaffee hier »Galão« heißt – offensichtlich die portugiesische Bezeichnung für Espresso mit Milch.
    Nach meinem Großstadt-Frühstück schlendere ich erst ziellos durch die Straßen, bis ich wieder auf den Kanal stoße, der hinter Daniels Wohnung entlangfließt. Ich gehe über malerische Brücken und trinke in hübschen Cafés zu viele, zu teure Kaffees. Als meine Beine müde werden, finde ich in einer Grünanlage eine Bank und genieße die Sonne.
    Hier erreicht mich auch Alexandras Anruf. Ihre Stimme klingt angenehm tief. Sie duzt mich sofort und fällt mit der Tür ins Haus: »Wer bist du? Was hast du mit Daniel zu tun?«
    Obwohl sie mich nicht sehen kann, zucke ich mit den Achseln.
    »Am ehesten könnte man mich wohl als eine alte Freundin bezeichnen.«
    Ihre Antwort wirkt auf mich etwas bitter. »Alte Freundin? Bist du achtzig oder was?«
    Ich muss grinsen. »Manchmal fühle ich mich jedenfalls so.«
    Wir verabreden uns für Samstagvormittag. Dann verlasse ich die Parkbank und tue endlich das, was Frauen in Hamburg tun sollten: Ich gehe einkaufen.
    Zunächst betrete ich ein großes Schuhgeschäft in der Hoheluftchaussee. Der heutige kurze Streifzug durch die Straßen der Stadt hat mir gezeigt, dass vor allem mit meinen Schuhen etwas nicht stimmt. Das heißt, zu Hause stimmt mit ihnen alles. Aber hier … sehen sie merkwürdig aus. Denn hier trägt jedermann zwischen fünf und fünfundneunzig lässige farbige Turnschuhe. Leute ohne Turnschuhe laufen in schwarzen Lederhalbschuhen, schicken Pumps oder auf schwindelerregenden High Heels herum. Wie ich es auch drehe und wende: Meine praktischen braunen Halbschuhe wirken hier so, als hätte ich meine Oma kaltblütig beraubt. Im Schuhgeschäft lasse ich mich von der Verkäuferin zu schlichten, aber modischen schwarzen Lederschuhen überreden. Sie laufen vorn spitz zu und haben einen schmalen Absatz. Meine Füße sehen darin ungewohnt klein aus. Während ich mich vor dem Spiegel drehe, muss ich zugeben, dass diese Schuhe sogar meine langweiligen Jeans veredeln. Vor dem Geschäft bietet ein Stand bunten Modeschmuck an, und ich erwische mich dabei, dass ich bunte Strassketten und silberne Armreifen mit einer Gier bestaune, die mich an Kinder vor Bonbongläsern erinnert. Am Ende kaufe ich mehrere lange silberne Ketten mit leuchtend blauen und grünen Anhängern. Ich habe zwar keine Ahnung, ob ich sie jemals tragen werde, aber ich gebe dem Kaufimpuls doch nach. Dabei ertappe ich mich besorgt, dass ich Benny, Nick und meine Pflichten für Stunden vergessen habe. Ein gutes Gefühl.
     
    Es ist schon kurz vor sieben, als ich verschwitzt zwei Einkaufstüten mit Lebensmitteln und den Schuhen in Daniels Wohnung schleppe. Ich habe in einem Schreibwarengeschäft einen Notizblock gekauft, falls mir etwas zur Grabrede einfällt. Im Supermarkt fand ich Töpfchen mit Basilikum und Koriander – sie ersetzen die vertrockneten Pflanzen auf der Fensterbank. Etwas später stehe ich fast ein wenig schüchtern vor Daniels großer Badewanne, in der man sogar zu zweit genug Platz hätte. Es gibt Badesalze und Handtücher im Überfluss. Ein kleines Radio ist auf einen Klassiksender eingestellt und erfüllt den Raum mit sanften Streicherklängen, und wenn ich wollte – und die Zeit dazu hätte –, könnte ich sogar Kerzenlicht entzünden: Sowohl auf der Fensterbank als auch am Ende der Badewanne stehen silberne Leuchter. Für einen Moment stelle ich mir vor, dass Daniel lebt und ich in der Badewanne auf ihn warte. Ob ich ihm wohl gefallen würde? Doch so klar Daniel in der Erinnerung vor mir steht, so diffus ist das Bild, wenn ich versuche, ihn in die Gegenwart zu holen. Stattdessen zuckt Nicks Nacktheit von gestern wie ein Bilderflash durch meinen Kopf. Aber dann fällt mir wieder seine aufgebrachte Stimme am Telefon ein, der alte Ärger flammt auf, und statt an Nick zu denken, drehe ich am Lautstärkeregler des Radios. Und als ich dann noch irgendwo im Haus das wütende Plärren eines Babys höre, habe ich noch einen Grund mehr, die Musik lauter zu stellen.
    Mit noch feuchter Haut beuge ich mich wenig

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