Erdbeerkönigin
du denn?«
Dr. Lenchen grinst und streicht sich genüsslich Aprikosenmarmelade auf das Hörnchen. Ihr ist deutlich anzusehen, dass sie mein Telefongespräch äußerst unterhaltsam findet.
Filou bleibt bei seinem kecken Ton. »Was ich möchte, meine Schöne?« Er seufzt theatralisch. »Aus den Augen, aus dem Sinn! Ich will doch mit dir essen gehen. Schon vergessen?« Er klingt fast verletzt.
»Nein, wie sollte ich das vergessen?«
Filou quittiert meine Antwort mit einem fröhlichen Lachen und ruft: »Ich wusste es!«
»Was?«
»Du hast mich vermisst.«
Das ist so absurd, dass ich ebenfalls lachen muss.
»Also abgemacht?«
»Was?«
»Wir essen heute miteinander! Keine Widerrede. Was machst du heute Mittag?«
»Filou, ich bin beim Frühstück. Ich plane
nie
bis zum Mittagessen vor.«
Ich grinse Dr. Lenchen an.
Filou findet meine kecke Gegenwehr offensichtlich völlig normal. »Wilde Frauen! Ich wusste, du bist ein großes Geheimnis, meine Schöne. Gut, dass du noch keine Pläne gemacht hast, denn ich will dich an die Elbe entführen. Das Wetter ist so schön, heute kommt sowieso niemand in die Galerie. Und ein bisschen Sonnetanken tut uns gut.«
Schon wieder die Elbe! Ein Mittagessen mit Filou ist sicher ungefährlicher als ein Abendessen mit Wein und nächtlichen Abschiedsküssen, und so willige ich ein.
»Hast du ein Fahrrad?«
»Ja, ich fahre Daniels.«
»Parfait!«
Bevor ich mich auf den Weg zu meinem Treffen mit Filou mache, lädt mich Dr. Lenchen zu einem Sonntagsfrühstück ein.
»Können Sie mich denn an zwei Tagen hintereinander ertragen?«, frage ich. Ich kann nicht verhehlen, dass ich mich sehr freue, denn Dr. Lenchen ist mir ans Herz gewachsen, und die Vorstellung, den Sonntag, der leer und bedrohlich vor mir liegt, mit ihr zu verbringen, erleichtert mich.
»Was ist mit einem Brunch?«, frage ich.
Dr. Lenchen wehrt sich vehement gegen diesen Vorschlag. »Ich hasse Brunch, Eva. Neumodischer Kram. Das ist nichts Halbes und nichts Ganzes. Bis ich endlich etwas zu essen bekomme, hängt mir der Magen in den Kniekehlen und ich habe Kopfschmerzen. Und dann isst man viel zu viel, das Essen kollidiert mit dem Kaffeetrinken, und den Rest des Tages hat man Sodbrennen. Außerdem …«
»Außerdem was?«
Dr. Lenchen sucht nach Worten, was bei ihr ungewöhnlich ist.
»Also, ich wollte dich nämlich bitten, also fragen, ob du mich am Sonntag in die Kirche begleiten könntest.«
Jetzt verstehe ich ihr Zögern. Es ist heute nicht mehr selbstverständlich, in die Kirche zu gehen. Nick und ich gehen am Weihnachtsabend in die Christmette, aber sonst nie. Früher gab es im Dorf eine Kirche, heute müssten wir zum Gottesdienst nach Angelingen fahren. Dass Dr. Lenchen in die Kirche geht, wundert mich ein wenig. Sie sieht gar nicht fromm aus. Andererseits: Wie sieht man aus, wenn man Kirchgängerin ist? Ob Dr. Lenchen in der Kirche ihre roten Turnschuhe trägt? Der Gedanke gefällt mir, aber gleichzeitig frage ich mich, wie wir den Kirchtermin in einen gemütlichen Sonntagmorgen integrieren wollen.
»Frühstück und Kirche, wird das nicht ein wenig knapp?«
Aber Dr. Lenchen lässt den Einwand nicht gelten. »Der Gottesdienst geht erst um elf Uhr los. Übrigens in der Christuskirche – dorthin dauert es selbst mit meinem Rollator höchstens zwanzig Minuten.« Sie hatte alles schon genau geplant. »Du kommst um neun Uhr zu einem leckeren Frühstück. Mehr als eine Stunde dauert es nicht, selbst wenn du zwei Croissants isst. Dann können wir in Ruhe um halb elf Uhr losgehen.«
Dem kann ich nichts mehr entgegensetzen. Und wer weiß, wann ich Dr. Lenchen wiedersehe? Also sage ich zu.
Filou trägt ein weißes Baumwollhemd zu Jeans und Turnschuhen und sieht so frisch aus wie die Mannequins in der Werbung für französische Zigaretten. Wir treffen uns am Bahnhof Sternschanze. »Voilà! Partnerlook!« Er zeigt auf unsere Fahrräder. Tatsächlich: dieselbe Marke. Filou grinst. »Daniel und ich haben uns diese Räder gemeinsam gekauft. Weil Daniel fand, dass er sich mehr bewegen müsse. Da habe ich mitgemacht.«
Ich schwinge mich in den Sattel. »Wo geht’s hin?«
Filou flötet: »Engel!«
Allmählich fällt mir seine Süßholzraspelei auf die Nerven. »Jetzt bleib doch mal ernst. Und nenn mich bitte Eva und nicht Engel«, weise ich ihn zurecht.
Filou verdreht die Augen. »Ich meinte doch, dass wir im Café Engel essen!«
»Wie soll ich das ahnen? Das kommt davon, wenn du immer nur
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