Erdbeermond: Roman (German Edition)
du doch was Ordentliches.« Mein Herz frohlockte. Wenn Barb mit ihrer rauen Stimme und ihrer Kauzigkeit sagte, dass Neris Hemming was Ordentliches war, dann musste es stimmen. »Wenn jemand Kontakt zu deinem Mann herstellen kann, dann Neris Hemming.«
»Hast du mit ihr gesprochen?« Mitch war eingetroffen.
»Mit ihrem Büro. Sie haben gesagt, Neris hätte in acht bis zehn Wochen einen Termin für mich.«
»Wow. Das ist ja toll.«
Alle waren sich einig, dass das fantastisch war. Ihre guten Wünsche waren so herzlich und ihre Anteilnahme so aufrichtig, dass ich vergaß, dass das, was wir feierten, ziemlich ungewöhnlich war.
Wir gingen in unseren Raum, und Liesl fing mit der Sitzung an. Großtante Morag meldete sich bei Mackenzie und wiederholte, dass es kein Testament gebe. Nicholas’ Dad gab ihm einen Tipp, der mit der Arbeit zu tun hatte – er schien ein netter Mann zu sein, wirklich sehr nett. So besorgt. Die Frau des pomadigen Juan sagte, er solle sich vernünftig ernähren. Carmelas Mann sagte, sie solle sich einen neuen Herd anschaffen, der alte sei gefährlich.
Dann sagte Liesl: »Barb, da will einer mit dir sprechen. Könnte es … es klingt wie …« Sie klang verwirrt. »Wie Wolfmann?«
»Wolfmann? Ach, Wolfgang! Mein Mann. Also, einer meiner Männer. Was will der denn? Dieser Schnorrer.«
»Er sagt … ergibt das einen Sinn? Du sollst das Bild noch nicht verkaufen, es würde im Wert enorm steigen.«
»Das sagt er seit Jahren«, knurrte Barb. »Aber von irgendwas muss ich leben, oder?«
Am Ende der Sitzung war niemand für mich dabei gewesen, aber ich war immer noch hoch zufrieden, weil ich den Kontakt mit Neris Hemming hergestellt hatte, sodass es mich nicht bekümmerte.
Ich verabschiedete mich von den anderen und ging zum Aufzug, wo schon die Bauchtänzerinnen warteten, als hinter mir jemand meinen Namen rief. Ich drehte mich um: Es war Mitch.
»Hey, Anna, hast du jetzt was vor?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Hast du Lust, was zu machen?«
»Was denn?«
»Weiß nicht. Einen Kaffee trinken gehen?«
»Ich mag keinen Kaffee«, sagte ich. Von Kaffee war mir in letzter Zeit übel geworden. Ich befürchtete, ich würde bald zu Kräutertee übergehen müssen, und dann würde ich einer von diesen aggressiv gelassenen Menschen werden, die nur Pfefferminz- und Kamillentee tranken.
Mitchs Gesichtsausdruck veränderte sich nicht. In guten Momenten waren seine Augen die eines Menschen, der alles verloren hatte. Wenn jemand nicht mit ihm Kaffee trinken wollte, berührte ihn das gar nicht.
»Lass uns in den Zoo gehen.« Ich hatte keine Ahnung, warum ich das sagte.
»In den Zoo?«
»Ja.«
»Zu den Tieren?«
»Ja. Im Central Park gibt es einen.«
»Meinetwegen.«
Im Zoo waren viele Menschen, verliebte Paare, die sich eng umschlungen hielten, Familien mit Buggys und Kleinkindern und Eisbechern. Mitch und ich, die Verletzten, die noch laufen konnten, hoben uns nicht von den anderen ab; nur aus nächster Nähe konnte man einen Unterschied erkennen.
Wir fingen im Regenwald an, wo es hauptsächlich Affen gab oder Menschenaffen, was weiß ich, wie sie richtig heißen. Es gab eine ganze Menge – sie schwangen sich von den Bäumen, kratzten sich gegenseitig oder blickten mürrisch vor sich hin –, zu viele, um interessant zu sein, und die einzigen, die meine Aufmerksamkeit erregten, waren die mit den roten Hinterteilen, die sie den Zuschauern hinstreckten. »Die sehen aus, als hätten sie sich den Po rasiert«, sagte Mitch.
»Oder«, sagte ich, »als hätten sie eine Wachsbehandlung an der falschen Stelle gehabt.« Ich warf ihm einen Blick zu, um zu sehen, ob ich erklären musste, was eine Wachsbehandlung war, aber er schien zu verstehen.
Während wir vor dem Käfig standen, fiel einer der Rotärsche vom Baum, und zwei andere kamen hinzu und neckten ihn und lachten ihn mit schrillem Gezeter aus, was die Zuschauer sehr erheiterte. Sie drängten mit ihren Fotoapparaten ans Gitter, und ich wurde von Mitch getrennt. Als ich mich suchend nach ihm umdrehte, fiel mir auf, dass ich nicht genau wusste, wie er aussah.
»Hier drüben«, hörte ich seine Stimme, und ich drehte mich um und sah in seine toten Augen. Ich versuchte mir ein paar andere Details für die Zukunft zu merken: Er hatte die Haare kurz geschnitten und trug ein dunkelblaues T-Shirt – obwohl er das wahrscheinlich nicht jeden Tag trug – und war ein bisschen älter als ich, vielleicht Ende dreißig.
»Gehen wir weiter?«, fragte er.
Mir
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