Mist.
»Sie sagt, sie kann bei der Präsentation nicht dabei sein«, sagte Franklin mit sehr lauter Stimme. »Sie sagt, sie hat einen Arzttermin. Sie sagt, es sei etwas Gynäkologisches.«
»Gynäkologisch?«, fragte Ariella. »Sie will eine Abtreibung machen lassen?« In ihrem staubblauen Jackett mit Schulterpolstern musterte sie mich mit kalter Wut. »Sie versäumen eine Formel-Zwölf-Präsentation wegen einer lausigen Abtreibung?«
»Nein. Oh Gott, nein, das ist es nicht.« Wo war ich nur reingeraten? Ich zitterte innerlich vor ihrem Zorn, vor meinen Lügen und dem, was ich ins Rollen gebracht hatte.
Und jetzt musste ich noch mehr Lügen parat haben. Aber schnell.
»Es hat, eh, mit der Zervix zu tun.«
»Krebs?« Sie legte den Kopf fragend auf die Seite und sah mich durchdringend an. »Haben Sie Krebs?« Die Botschaft war deutlich: Wenn ich Krebs hätte, dürfte ich die Präsentation versäumen. Darunter tat sie es nicht. Aber ich konnte mich nicht überwinden, das zu sagen.
»Verdacht auf Krebs«, keuchte ich und verging dabei vor Scham.
Jacqui hatte vor ein paar Jahren einen Verdacht auf Krebs gehabt. Damals hatten wir alle furchtbar geweint, weil wir glaubten, sie würde sterben. Doch nach einer winzig kleinen Operation, bei der nicht einmal eine örtliche Betäubung vorgenommen wurde, war sie wieder vollauf gesund.
Plötzlich war Ariella ganz still. Beängstigend still. Ihre Stimme war nur noch ein heiseres Flüstern.
»Anna, bin ich nicht gut zu Ihnen gewesen?«
Mir war übel. »Natürlich, Ari-«
Aber ich konnte sie nicht unterbrechen. Ich würde mir die ganze Litanei anhören müssen.
»Habe ich mich nicht um Sie gekümmert? Sie gekleidet? Solange wir die Vertretung für Fabrice & Vivien hatten, bevor die Undankbaren uns den Rücken gekehrt haben? Sorge ich nicht dafür, dass Sie Make-up haben? Dass Sie in den feinsten Restaurants der Stadt essen können? Habe ich Ihnen nicht Ihre Stelle freigehalten, als Ihr Mann über den Jordan ging? Und Sie wieder aufgenommen, obwohl Sie eine Narbe im Gesicht haben, die selbst Doktor De Groot Angst machen würde?«
Und als sie zur letzten Zeile kam, sprach ich im Geiste mit.
Und wie lohnen Sie es mir?
SIEBENUNDVIERZIG
An:
[email protected] Von:
[email protected] Thema: Fall abgeschlossen!
Ist ja gut, ist ja gut. Reg dich wieder ab! Bloß weil Aidan gestorben ist, heißt das ja nicht, dass wir anderen auch alle sterben. Jedenfalls habe ich Harry die Fotos von Detta beim Teetrinken mit Racey gezeigt, und er sagte: Ah, zwischen den beiden läuft nichts. Das ist harmlos, völlig harmlos. Nein, die undichte Stelle muss woanders sein. Colin, wir fangen noch mal von vorne an. Ms. Walsh, ich darf Sie hiermit entlassen.
Ich: Gott sei Dank. Die Abneigung beruht auf Gegenseitigkeit. (Hat mir Spaß gemacht, das zu sagen.) Wiedersehen, Colin, war nett, mit dir zu arbeiten, ruf mal an.
Habe ihm zugelächelt, er sah ziemlich verstört aus.
Da hast du es also, alles vorbei, bin nicht erschossen worden, kein Grund zur Sorge, du großes, dummes Mädchen.
Es war eine Erleichterung, zu wissen, dass sie nicht länger in Gefahr schwebte. (Falls es jemals eine gegeben hatte.) Doch jetzt, da es vorbei war, musste ich zugeben, dass ich etwas neugierig war: Hatte Detta doch Harrys Geheimnisse an Racey verraten? Es war seltsam, denn es kam mir wie eine Seifenoper vor und nicht wie das richtige Leben, doch anders als eine Seifenoper war es ganz plötzlich zu Ende.
In den nächsten Tagen mussten Wendell und ich unsere Präsentationen so oft üben, bis wir sie im Schlaf konnten. Ariella und Franklin taten, als wären sie die Gesandten von Devereaux, und prüften uns. Sie bombardierten uns mit Fragen bezüglich der Kosten, der Zeitpläne, der Kundenprofile, der Konkurrenz – alle Fragen, rauf und runter, die man uns möglicherweise stellen würde. Dann wurden die anderen Mitarbeiter dazugerufen, damit sie Fragen stellten, die den anderen vielleicht nicht eingefallen waren, und es an dem wichtigen Tag keine bösen Überraschungen gab.
Ich machte mit, obwohl ich wusste, dass ich nicht dabei sein würde.
Aber ich zog Teenie ins Vertrauen. Bei einem gemeinsamen Lunch verpflichtete ich sie zur Geheimhaltung.
»Du weißt doch, die Präsentation am Mittwoch? Ich kann nicht kommen.«
»Wa-?«
»Du machst meine Präsentation. Heimst den Ruhm ein.«
»Oh mein Gott! Ich meine, du, also … Ariella rastet aus!«
»Ja, und dann braucht sie jemanden, der mich