Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Erdbeermond: Roman (German Edition)

Erdbeermond: Roman (German Edition)

Titel: Erdbeermond: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
Vom Netzwerk:
ihrem Kollegen?
    Mann: Ja.
    Ich: Das sieht nicht gut für Sie aus, aber es ist Ihre Kohle. Wir können versuchen, sie zu finden. Geben Sie der alten Frau da die genauen Details.

    »Ist doch toll, oder?«, sagte Helen. »Besonders das mit der Frauenvermittlung, nicht? Und das mit der Kohle. Knallhart, findest du nicht?«
    »Ja, sehr gut.«
    »Morgen mache ich weiter, vielleicht können wir es sogar in Szene setzen. Aber jetzt muss ich mich für die Arbeit fertig machen.«
    Gegen zehn stand sie wieder an meiner Tür, fertig angezogen für ihre Überwachungstätigkeit (dunkle, enge Sachen, die angeblich, aber nicht wirklich wasserdicht sind).
    »Du brauchst frische Luft«, sagte sie.
    »Ich war schon an der frischen Luft.« Ich würde auf gar keinen Fall elf Stunden im feuchten Gebüsch sitzen und darauf warten, dass sie ein Foto von einem Ehebrecher machte, der dabei ist, die Wohnung seiner Geliebten zu verlassen.
    »Aber ich möchte, dass du mitkommst.«
    Obwohl Helen und ich kaum unterschiedlicher sein könnten, sind wir uns nahe; vielleicht liegt es daran, dass wir die Jüngsten sind. Wie auch immer, Helen behandelte mich wie eine Erweiterung von sich selbst, den Teil von ihr, der mitten in der Nacht aufstand und ihr ein Glas Wasser holte. Ich war ihr Spielgefährte, ihr Spielzeug, ihre beste Freundin, und natürlich, das bedarf gar nicht der Erwähnung, gehörte alles, was ich hatte, automatisch auch ihr.
    »Ich kann wirklich nicht mitkommen«, sagte ich, »ich bin verletzt.«
    »Blödsinn«, entgegnete sie, »Be-löd-sinn.«
    Sie hatte nicht die Absicht, grausam zu sein, aber in meiner Familie duldete man keine Gefühlsduselei. Dort herrschte der Glaube, das mache einen nur noch unglücklicher. Man wird forsch angetrieben, Extrawürste gibt es nicht – das ist so die Vorgehensweise. Mum erschien in der Tür, und Helen beschwerte sich bei ihr. »Sie will nicht mitkommen. Jetzt muss ich dich mitnehmen.«
    »Das geht nicht«, sagte Mum und warf einen dramatischen Blick in meine Richtung, als wäre ich geisteskrank – und blind obendrein. »Ich sollte besser hier bleiben.«
    »Oh, ding-dong «, moserte Helen. »Ich muss die ganze Nacht im feuchten Gebüsch sitzen, und euch ist das egal.«
    »Es ist uns nicht egal.« Mum zog etwas aus der Tasche und gab es Helen. »Vitamin-C-Drops, damit du nicht wieder Halsschmerzen bekommst.«
    »Nein.« Helen wich aus, und das bestätigte etwas, das ich längst vermutet hatte – sie hatte ganz gern Halsschmerzen, sie waren eine Entschuldigung, im Bett liegen zu bleiben, Eis zu essen und gemein zu den anderen zu sein.
    »Nimm die Bonbons.«
    »Nein.«
    »Nimm die Bonbons.«
    »Nein.«
    »NIMMST DU JETZT ENDLICH DIE VERDAMMTEN BONBONS?«
    »Himmel, krieg nicht gleich einen Anfall. Also meinetwegen. Aber helfen tun sie nicht.«

    Nachdem Helen ein paar Türen zugeschlagen und das Haus verlassen hatte, holte Mum ihr Blatt Papier und verabreichte mir die letzten Pillen des Tages.
    »Gute Nacht«, sagte sie. »Schlaf gut.« Dann fügte sie besorgt hinzu: »Ich mag es nicht, dass du hier unten allein bist, und wir sind alle oben.«
    »Das ist nicht schlimm, Mum. Ich meine, mit meinem kaputten Knie ist es für mich leichter, hier unten zu sein.«
    »Ich mache mir solche Vorwürfe«, brach es plötzlich aus ihr heraus.
    Wirklich? Wie kam sie denn darauf?
    »Wenn wir nur einen Bungalow hätten! Dann könnten wir alle zusammen sein. Damals haben wir uns einen angeguckt, dein Vater und ich, bevor ihr alle auf die Welt kamt. Einen Bungalow. Aber von dort war es zu weit zu seiner Arbeit. Und es roch ein bisschen komisch. Aber jetzt bedauere ich das!«
    Das war das zweite Mal an dem Tag, dass Mum emotional geworden war. Normalerweise war sie so zäh wie die Steaks, die sie früher für uns gemacht hat, bis wir sie inständig anflehten, damit aufzuhören.
    »Mum, es geht mir gut, mach dir keine Vorwürfe, du bist nicht schuld.«
    »Ich bin Mutter, es gehört dazu, dass ich Schuldgefühle habe.« In einem weiteren Anflug von Besorgnis fragte sie: »Hast du Alpträume?«
    »Keine Alpträume, Mum, ich träume gar nichts.« Es musste an den Pillen liegen.
    Sie runzelte die Stirn. »Das ist aber nicht richtig«, sagte sie. »Eigentlich müsstest du Alpträume haben.«
    »Ich werde mir Mühe geben«, versprach ich.
    »Das ist lieb.« Sie küsste mich auf die Stirn und machte das Licht aus.
    »Du warst immer so lieb«, rief sie zärtlich von der Tür. »Manchmal ein bisschen komisch, aber immer

Weitere Kostenlose Bücher