Erdbeermond: Roman (German Edition)
worden war.
Ich kramte in meiner Tasche und gab ihm eine neon-rosa Karte mit dem verwischten Schriftzug »Candy Grrrl« in Rot, darunter stand in kleinerer Schrift »Anna Walsh, PR-Superstar«. Rechts oben in der Ecke war das berühmte Girl-Logo – ein zwinkerndes Mädchen, das seine Zähne mit einem knurrenden »Grrr« entblößt.
Wir guckten beide auf die Karte. Plötzlich sah ich sie mit seinen Augen.
»Süß«, sagte er. Und klang schon wieder verwirrt.
»Ja, irgendwie gewichtig und würdevoll, oder?«, sagte ich. »Also, ehm, Sayonara.«
Ich hatte nie zuvor in meinem Leben »Sayonara« gesagt.
»Ja, gut, Sayonara«, gab er zurück. Immer noch verwirrt.
Also, mal klappt es, mal klappt es nicht, und da, wo er her ist, gibt es noch viele andere. Und sowieso gefielen mir italienische oder jüdische Männer besser, die dunklen, kleinen sagten mir eher zu.
Doch in jener Nacht wachte ich nachts um drei Uhr fünfzehn auf und dachte an diesen Aidan. Ich hatte geglaubt, dass eine echte Begegnung stattgefunden hatte.
Andererseits hatte ich schon mehrere intensive und letztlich bedeutungslose Begegnungen in New York gehabt. Zum Beispiel mit dem Mann in der Subway, der mit mir über das Buch, das ich las (Paulo Coelho. Ich konnte nichts damit anfangen.), ins Gespräch kam. Wir haben uns auf dem ganzen Weg nach Yonkers blendend unterhalten, und ich erzählte ihm alles Mögliche von mir, zum Beispiel von meiner Begeisterung als Teenager für Mystizismus, die mir inzwischen zutiefst peinlich war, und er erzählte mir von seinem nächtlichen Putzjob und den zwei Frauen in seinem Leben, zwischen denen er sich nicht entscheiden konnte.
Und dann traf ich einmal eine Frau bei Shakespeare in the Park – wir waren beide versetzt worden und kamen miteinander ins Gespräch, während wir warteten, und sie hat mir ausführlich von ihren burmesischen Katzen erzählt, die ihr durch ihre Depression geholfen hätten, sodass sie ihre Dosis Cipramil von vierzig Milligramm auf zehn reduzieren konnte. Das gehört zu New York: Man begegnet sich, man erzählt sich absolut alles über sein Leben, man stellt eine echte Verbindung her, und dann sieht man sich nie wieder. Es ist sehr angenehm. Normalerweise.
Aber ich wollte nicht, dass meine Begegnung mit Aidan so einmal und nie wieder war, und an den nächsten Tagen hatte ich ein kleines Gefühl von Erwartung jedes Mal, wenn das Telefon klingelte oder ich meine Mails abrief, aber nada.
SECHS
Helen haute in die Tasten des uralten Amstrad, der im Flur auf einem Serviertisch stand, und wenn man am Computer sitzen und eine Mail schicken wollte, musste man die Türen aufmachen und die Knie in das Fach mit der Wärmeplatte schieben.
»Wem schreibst du?«, rief ich.
Sie beugte sich zur Seite und in mein Zimmer, schüttelte sich bei dem Anblick der ganzen Quasten und sagte: »An niemanden, ich schreibe etwas, also, ein Drehbuch fürs Fernsehen. Über eine Privatdetektivin.«
Ich war sprachlos. Helen behauptete – mit einigem Stolz –, dass sie praktisch Analphabetin sei.
»Warum auch nicht«, sagte sie. »Ich habe haufenweise Material. Es ist sehr gut, ich drucke es dir aus.«
Der uralte Drucker kreischte und quietschte gute zehn Minuten lang, dann riss Helen stolz eine einzelne Seite ab und gab sie mir. Immer noch sprachlos las ich sie.
Unter einem glücklichen Stern
Von und über Helen Walsh
1. SZENE: Kleine, stolze Privatdetektei in Dublin. Zwei Frauen, eine jung und schön (ich). Die andere alt (Mum). Junge Frau, Füße auf dem Schreibtisch. Alte Frau, Füße nicht auf dem Schreibtisch, wegen Arthritis in den Knien. Ruhiger Tag. Nicht viel los. Langweilig. Uhr tickt.
Auto parkt draußen ein. Mann kommt herein. Gut aussehend. Große Füße.
Ich: Was kann ich für Sie tun?
Mann: Ich suche nach einer Frau.
Ich: Das hier ist keine Frauenvermittlung.
Mann: Nein, ich meine, ich suche meine Freundin. Sie ist verschwunden.
Ich: Haben Sie denn schon mit den Männern in Blau gesprochen?
Mann: Ja, aber die treten erst in Aktion, wenn sie vierundzwanzig Stunden weg ist. Außerdem denken sie, dass wir uns einfach gestritten haben.
Ich (nehme die Füße vom Schreibtisch, kneife die Augen zusammen, beuge mich vor): Und? Haben Sie sich gestritten?
Mann (peinlichst berührt): Ja.
Ich: Worüber? Über einen anderen Mann? Jemanden, mit dem sie arbeitet?
Mann (immer noch peinlichst berührt): Ja.
Ich: Ist sie in letzter Zeit oft lange im Büro geblieben? Verbringt sie zu viel Zeit mit
Weitere Kostenlose Bücher