Erdbeermond: Roman (German Edition)
hätte sein müssen, weil ich an den Mann dachte, mit dem ich meinen Zusammenstoß hatte. Da war etwas passiert . Und es war nicht nur die Tatsache, dass wir beide eine Narbe hatten. Aber wenn ich das Gebäude verließ, waren die Chancen, dass ich ihm je wieder begegnen würde, gleich null. Es sei denn, ich strengte mich an. Wenn du nicht bittest, bekommst du auch nichts. (Auch dann funktioniert es nicht immer.)
Erst einmal musste ich ihn finden, und diese Bank war riesig. Und wenn ich ihn ausfindig machte, was sollte ich dann tun? Sollte ich meinen Finger in seinen Kaffee tauchen und anzüglich daran lutschen? Das verwarf ich sofort, denn 1. konnte der warme Kaffee den Klebstoff meines künstlichen Fingernagels auflösen, und 2. war es eine ekelhafte Idee.
Mr. Coaster erklärte in aller Ausführlichkeit, und ich nickte und lächelte, aber ich war meilenweit weg und konnte mich zu keiner Entscheidung durchringen.
Dann, als wäre ein Schalter umgelegt worden, beschloss ich zu handeln. Ich war mir plötzlich sicher: Ich würde ehrlich und aufrichtig sein und Mr. Coasters Hilfe in Anspruch nehmen. Völlig unprofessionell. Und unangemessen. Aber was konnte ich verlieren?
»Mr. Coaster«, unterbrach ich ihn höflich. »Auf meinem Weg zu Ihrem Büro bin ich mit einem Herrn zusammengestoßen, was dazu führte, dass er seinen Kaffee verschüttete. Ich würde mich gern bei ihm entschuldigen, bevor ich gehe. Ich habe seinen Namen nicht behalten, aber ich kann ihn beschreiben.« Ich sprach schnell. »Er ist groß, zumindest wirkte er so, aber natürlich, ich bin so klein, dass mir jeder groß vorkommt, sogar Sie.«
Mist.
Mr. Coasters Miene versteinerte auf der Stelle. Aber ich fuhr fort, ich konnte nicht anders. Wie sollte ich den geheimnisvollen Mann beschreiben? »Er ist irgendwie blass, aber nicht als wäre er krank. Sein Haar ist braun, aber man sieht, dass es in seiner Kindheit blond war. Und ich glaube, seine Augen waren blau …«
Coasters Gesicht blieb versteinert. Er hätte als eine von diesen Statuen auf der Osterinsel durchgehen können. Er unterbrach mich. »Kann Ihnen leider nicht helfen.« Und in null Komma nichts fand ich mich vor seinem Büro wieder, die Tür hinter mir fest geschlossen.
Nita musterte ihr Gesicht in einem Taschenspiegel. Sie sah aus, als hätte sie alles, was ich mitgebracht hatte, auf einmal ausprobiert, wie ein kleines Mädchen, das mit dem Make-up seiner Mutter verrückt spielt.
»Nita, können Sie mir helfen?«
»Anna, dieses Lipgloss ist so fantastisch …«
»Ich suche einen Mann.«
»Willkommen in New York.« Sie sah nicht vom Spiegel auf. »Acht-Minuten-Dates. Wie Blitz-Dates, nur langsamer. Man kriegt acht Minuten statt drei. Richtig toll, letztes Mal hatte ich vier Treffer.«
»Ich meine nicht, irgendeinen Mann. Ich meine einen, der hier arbeitet. Er ist ziemlich groß und … und …« Es ging nicht anders, ich musste es aussprechen. »Und er ist schön. Er hat eine winzige Narbe an der Augenbraue, und er hört sich an, als könnte er aus Boston stammen.«
Plötzlich war sie ganz aufmerksam und riss den Kopf hoch. »So wie Denis Leary? Nur jünger?«
»Jaaa!«
»Aidan Maddox. Bei IT, weiter den Flur runter. Erst links, dann zweimal rechts, dann sehen Sie seinen Tisch.«
»Danke. Nur noch eins: Ist er verheiratet?«
»Aidan Maddox? Oh, mein Gott. Nein.« Sie lachte leise, als wollte sie sagen: »Und wird auch nie verheiratet sein.«
Ich fand ihn, stellte mich an seine Nische und betrachtete seinen Rücken in der Hoffnung, dass er sich umdrehen würde. »Hey«, sagte ich freundlich.
Er drehte sich schnell um, als hätte er Angst. »Oh«, sagte er. »Hey. Sie sind es. Wie geht es Ihrer Hand?«
Ich streckte sie ihm hin. »Ich habe meinen Anwalt angerufen, die Klageschrift ist schon auf dem Weg. Hey, hätten Sie Lust, mit mir einen trinken zu gehen?«
Er sah aus, als wäre er von einem Zug angefahren worden. »Sie wollen mich zu einem Drink einladen?«
»Ja«, sagte ich entschlossen. »Ja, das will ich.«
Nach einer Weile sagte er und klang verwirrt: »Und wenn ich Nein sagen würde?«
»Was ist das Schlimmste, das passieren kann? Sie haben mich schon mit heißem Kaffee verbrüht.«
Er sah mich mit einem Ausdruck an, der irgendwie verzweifelt wirkte, und das Schweigen dehnte sich zu lange aus. Mein Selbstvertrauen verpuffte, und ich hatte es plötzlich eilig wegzukommen.
»Haben Sie eine Visitenkarte?«, fragte er.
»Klar!« Ich wusste, wann ich abgewiesen
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