Erdbeermond: Roman (German Edition)
es nicht. Das weißt du.«
Manchmal wusste ich es. Und das hieß – ähnlich wie der Drang runterzuspringen, wenn man ganz oben in einem hohen Gebäude war –, dass meine größte Angst die war, Ja zu sagen.
»Also gut, wenn du mich nicht heiraten willst, fährst du trotzdem mit mir in die Ferien?«
»Ich weiß nicht«, sagte ich, »ich muss Jacqui fragen.«
»Was dich nicht umbringt, macht dich hart«, sagte Jacqui. »Es könnte eine Katastrophe werden, wenn ihr in einem fremden Land festsitzt und euch nichts zu sagen habt. Ich würde sagen, mach es.«
Ich erklärte ihm, ich würde mit ihm fahren, solange er mir keinen weiteren Heiratsantrag machte. Er sagte: »Geht in Ordnung.«
Über Weihnachten flog ich nach Irland, und nach meiner Rückkehr reisten Aidan und ich für sechs Tage nach Mexiko.
Nach den kalten, trüben Wintertagen in New York waren der weiße Sand und der blaue Himmel so gleißend, dass es fast den Augen wehtat. Aber das Beste überhaupt war, dass Aidan vierundzwanzig Stunden am Tag verfügbar war. Das hieß Sex, Sex und noch mehr Sex. Am Morgen nach dem Aufwachen und am Abend vor dem Schlafengehen und zu allen möglichen Gelegenheiten dazwischen …
Damit wir überhaupt mal aus dem Bett rauskamen, guckten wir uns um, was die staubige Stadt zu bieten hatte, und beschlossen, einen Anfängerkurs im Tauchen zu machen, der von zwei ausgewanderten Kaliforniern angeboten wurde. Es war spottbillig, und vielleicht hätten wir uns, rückblickend betrachtet, Sorgen machen müssen. Auch die Verzichtserklärung, in der wir unterschreiben mussten, dass wir im Falle von Tod, Verstümmelung, Angriffen durch Haie, posttraumatischem Syndrom, verstauchten Zehen, abgerissenen Nägeln, verloren gegangenen Prothesen und so weiter keine Regressansprüche stellen könnten, hätte uns skeptisch machen müssen. Aber wir waren unbesorgt und vergnügten uns mit neun anderen Anfängern aufs Beste in dem kleinen Übungspool, wo wir mit Daumen und Zeigefinger ein O formten und kicherten und herumalberten, als wären wir wieder in der Schule.
Am dritten Tag ging es zum ersten Tauchgang aufs Meer hinaus, und obwohl wir nur drei Meter unter Wasser waren, wurden wir in eine andere Welt versetzt. Eine friedliche Welt, wo man nichts hörte außer dem eigenen Atem und wo sich alles mit gemächlicher Anmut bewegt. Das Schwimmen im blauen Wasser war, als schwebten wir in blauem Licht. Das Wasser war glasklar, und die Sonnenstrahlen fielen bis auf den Grund, wo sie helle Flecken auf den Sandboden des Ozeans zeichneten.
Aidan und ich waren fasziniert. Wir hielten uns an den Händen und zogen langsam an zarten Korallen vorbei, an Fischen in allen Farben – gelb mit dunklen Tupfern, orange mit Streifen, seltsam durchsichtig ohne jede Farbe. Schwärme in Formation glitten an uns vorüber, auf dem Weg irgendwohin. Aidan zeigte auf etwas. Haie. Drei, die an einem Riff warteten, mit heimtückischem, lauerndem Blick, wie Männer in Lederjacken. Riffhaie sind nicht gefährlich. Eigentlich. Dennoch schlug mein Herz ein wenig schneller.
Wir nahmen unsere Mundstücke heraus und benutzten den Ersatzschlauch des anderen, sodass wir eine Einheit wurden, wie Liebende in den Filmen der dreißiger Jahre, die ihre Arme ineinander schlingen und so ihren Champagner trinken (und die Gläser sind immer Champagnerschalen und so flach, dass der Champagner überschwappt und man kaum trinken kann, auch der Geliebte nicht, aber was machte das schon).
»Wow, das war aufregend«, schwärmte Aidan danach. »Genau wie in Findet Nemo . Und weißt du, was es noch bedeutet, Anna? Es bedeutet, dass wir etwas gemeinsam haben. Ein gemeinsames Interesse.« Ich dachte schon, als Nächstes würde er mir wieder einen Heiratsantrag machen, und sah ihn scharf an, und er sagte: »Was ist?«, und ich sagte: »Nichts.«
Am letzten Tag kam das große Kahuna, das Finale. Wir wurden ins tiefe Wasser gelassen, sodass wir beim Aufstieg den Druck vermindern mussten. Das bedeutete, wir mussten nach jeweils fünf Metern Höhenunterschied zwei Minuten lang warten, damit unser Sauerstoffgerät irgendwas – ich hatte nicht richtig verstanden, was – machen konnte. Das hatten wir im flachen Wasser geübt, aber jetzt wurde es ernst.
Auf der Fahrt hinaus kündigte sich jedoch ein Unheil an: Aidan hatte sich eine leichte Erkältung zugezogen, und obwohl er vorgab, bei bester Gesundheit zu sein, merkte es der Kursleiter und verbot ihm zu tauchen.
»Mit einer Erkältung kannst du
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