Erdbeermond: Roman (German Edition)
unsere Rückbank – etwas, das nur in Alpträumen passiert. Ich hörte ein Malmen und Bersten, dann wurden wir rückwärts gewirbelt, als wären wir auf einem Teufelskarussell.
Der Schock war – ist immer noch – unbeschreiblich, und bei dem Aufprall erlitt Aidan einen Beckenbruch, sechs seiner Rippen brachen, und seine inneren Organe – Leber, Nieren, Bauchspeicheldrüse, Milz – erlitten tödliche Verletzungen. Ich sah, wie es passierte – in Zeitlupe natürlich: das zerborstene Glas, das durch die Luft wirbelte wie ein Silberregen, das Reißen von Metall, der Blutstrahl aus Aidans Mund und die Überraschung in seinen Augen. Ich wusste nicht, dass er starb, ich wusste nicht, dass er zwanzig Minuten später tot sein würde, ich dachte nur, dass wir wütend auf das Arschloch von einem Fahrer sein sollten, der zu schnell gefahren war und unsere Seite gerammt hatte. Auf der Straße schrien die Leute, jemand kreischte: »Oh Gott, oh nein, oh Gott !«, und an mir vorbei sausten die Beine und Füße der Passanten. Mir fiel ein Paar rote Stiefel mit hohen, dünnen Absätzen auf. Rote Stiefel sind so egozentrisch, dachte ich dumpf. Ich sehe sie immer noch so deutlich vor mir, dass ich sie bei einer Gegenüberstellung identifizieren könnte. Manche Einzelheiten hatten sich unauslöschlich in meinem Gehirn eingebrannt.
Ich hatte großes Glück, sagten die anderen später. »Glück«, weil Aidan die volle Wucht abbekam. Als der Vorwärtsdrall des anderen Taxis an Aidans Körper zum Stoppen kam, war kaum noch Schwung da, sodass sich meine Verletzungen auf einen gebrochenen Arm und ein kaputtes Knie beschränkten. Es gab natürlich noch Nebenschäden: Die Metallstreben in der Wagendecke verbogen sich und schnitten eine tiefe Wunde in meine Wange, und die scharfen Metallkanten in der Tür säbelten mir zwei Nägel ab. Aber ich bin nicht gestorben.
Unser Fahrer war unverletzt. Als der endlose Rückwärtswirbel endlich aufhörte, stieg er aus dem Auto, guckte durch das Loch, wo die Scheibe gewesen war, dann wandte er sich ab und beugte sich vor. Ich fragte mich, was er da machte. Überprüfte er die Reifen? Dann merkte ich an den Geräuschen, dass er sich übergab.
»Der Krankenwagen ist auf dem Weg, mein Junge«, sagte eine Männerstimme, und ich fragte mich, ob jemand wirklich gesprochen hatte oder ob ich die Stimme nur in meinem Kopf gehört hatte. Für kurze Zeit war es seltsam friedlich.
Aidan und ich sahen uns an mit einem Blick, der ausdrückte: Kannst du das glauben?, und er fragte: »Alles klar, Baby?«
»Ja, und bei dir?«
»Ja.« Aber seine Stimme war komisch, irgendwie sprudelnd.
Auf seiner Hemdbrust und seiner Krawatte war ein großer roter Fleck, und das bekümmerte mich, weil es eine hübsche Krawatte war und eine seiner liebsten. »Mach dir keine Sorgen um die Krawatte«, sagte ich, »wir kaufen dir eine neue.«
»Tut dir was weh?«, fragte er.
»Nein.« Zu dem Zeitpunkt spürte ich keine Schmerzen. Der Schock, diese gute alte Schutzmaßnahme, macht es uns möglich, das Unerträgliche zu überstehen. »Und dir?«
»Ein bisschen.« Da wusste ich, dass es schlimm war.
Aus großer Ferne hörte ich Krankenwagen, sie kamen näher, wurden lauter, dann waren sie bei uns und kamen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Sie sind für uns , dachte ich, ich hätte nie gedacht, dass uns so etwas zustoßen würde .
Aidan wurde aus dem Autowrack gehoben, dann lagen wir im Krankenwagen, und plötzlich lief alles schneller. Wir kamen im Krankenhaus an und wurden im Eiltempo auf getrennten Krankenbahren durch die Flure geschoben, und so wie die Leute sich verhielten, waren wir die wichtigsten Menschen dort.
Ich nannte jemandem unsere Krankenversicherung, die ich mit glasklarer Schärfe wusste, einschließlich der Mitgliedsnummern. Ich hatte nicht einmal gewusst, dass ich sie wusste. Ich sollte etwas unterschreiben, konnte es aber nicht, weil mein rechter Arm und meine Hand verletzt waren, und jemand sagte, es sei auch so in Ordnung.
»In welcher Beziehung stehen Sie zu diesem Patienten?«, wurde ich gefragt. »Ehefrau? Freundin?«
»Beides«, sagte Aidan mit seiner sprudeligen Stimme.
Als er in den Operationssaal geschoben wurde, wusste ich immer noch nicht, dass er starb. Ich wusste, dass er verletzt war, aber ich hatte keine Vorstellung davon, dass es nicht zu beheben war.
»Machen Sie ihn wieder heil«, bat ich den Arzt, einen kleinen, sonnengebräunten Mann.
»Es tut mir Leid«, sagte er, »ich fürchte,
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